Bremen (epd). Falls sich die Kartellabsprachen in der Automobilindustrie bestätigen sollten, schädigen sie nach Einschätzung des Bremer Wirtschaftswissenschaftlers Rudolf Hickel auch in ethischer Hinsicht massiv den Wirtschaftsstandort Deutschland. Zu einer ethisch fundierten ökologisch-sozialen Marktwirtschaft gehörten Verantwortung für die Umwelt und ein fairer Wettbewerb, sagte der Ökonom am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). «Gemessen daran sind Kartellabsprachen der Big Five der deutschen Automobilindustrie ein Skandal.»

Zu den «Big Five» gehören Audi, BMW, Daimler, Porsche und VW, die sich Medienberichten zufolge über Kosten, Zulieferer und Technik abgesprochen haben sollen. Durch die Marktmacht der Autoriesen sei ein Kartell entstanden, mit dem Kosten zulasten der Qualität und der Umwelt gesenkt und überhöhte Preise durchgesetzt worden seien, sagte Hickel. Die Geschädigten seien Autohändler, Käufer, Lieferanten, Aktionäre und die Umwelt.

Die Absprachen über die Reduktion beziehungsweise Abschaltung der Einspritzung eines Harnsäure-Gemisches zur Verminderung des Schadstoffausstoßes beim Dieseleinsatz aus Kostengründen verletzten ethische Prinzipien, konkretisierte Hickel. «Sie sind das Ergebnis gezielten Betrugs und führen zum Verlust der Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des Wirtschaftssystems.» Sie seien deshalb ein Anschlag auf die soziale Marktwirtschaft und auch auf die Beschäftigten in den Werken und deren aktive Teilnahme am Betriebsgeschehen.

Überdies werde das Markenzeichen «Made in Germany» durch das aus Gier getriebene Kartell schwer geschädigt: «Die Beschäftigten werden um ihre Arbeit betrogen, die Suche nach den besten technischen Standards wird behindert, die Zuliefererabhängigkeit noch mehr erhöht – und die Automobile der Nutzer verlieren an Wert bis hin zum Totalverlust.»

Hickel sprach von einem «Super-GAU verlorener Glaubwürdigkeit» des Wirtschaftssystems. Nach dem Motto «Wer einmal machtvoll lügt, dem glaubt man nimmer mehr» sei die Akzeptanz kaum heilbar. Umso wichtiger seien entschiedene Schritte der Aufklärung und der künftigen Verhinderung dieses massiven Fehlverhaltens: «Die Politik muss begreifen, dass sie aus dem auto-industriellen Komplex aussteigen muss. Dazu gehört auch die Zerschlagung von Kartellen.»
Source: Kirche-Oldenburg