Störungen bei Führungen in KZ-Gedenkstätten sind eher selten, aber auch kein Einzelfall. Die Gedenkstätten haben sich inzwischen auf Besucher vorbereitet, die Gräuel der NS-Zeit leugnen oder an diesen Orten für rechtsextreme Weltanschauungen werben.

Bergen-Belsen/Hannover (epd). Die KZ-Gedenkstätten in Deutschland stellen sich verstärkt auf Besucher ein, die nationalsozialistische Verbrechen verharmlosen. «Die Grenzen des Sagbaren haben sich in den vergangenen Jahren eindeutig nach rechts verschoben», sagte der Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Jens-Christian Wagner, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wie eine epd-Umfrage ergab, sind die Gedenkstätten auf Besucher vorbereitet, die bei Führungen mit einer rechtsextremen Weltanschauung auftreten oder gar den Holocaust leugnen.

Am 10. Juli war es in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin zu massiven Störungen durch eine AfD-Besuchergruppe gekommen. Einige der Teilnehmer sollen NS-Verbrechen verharmlost und die Existenz von Gaskammern bezweifelt haben. Nach dem Vorfall wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Solche Störungen sind bisher allerdings eher die Ausnahme, auch in Niedersachsen und Bremen. Das ergab eine bundesweite epd-Umfrage unter den Gedenkstätten, die an die Gräuel der NS-Zeit erinnern.

In Niedersachsen ist es bislang lediglich in der KZ-Gedenkstätte Schillstraße in Braunschweig bei Gedenkveranstaltungen schon zu Vorfällen mit Rechtsextremisten gekommen. Allerdings gibt es immer wieder Einzelbesucher oder auch Gruppen, die den Holocaust relativieren oder die NS-Geschichte umdeuten wollen. Auch der Staatsschutz wurde schon eingeschaltet.

In der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen bei Celle tauchen nach Angaben von Jens-Christian Wagner auch im Besucherbuch entsprechende Positionen auf. «Bei strafrechtlich relevanten Eintragungen wird immer sofort die Polizei informiert.» Das treffe auch auf Briefe und E-Mails mit rechtsextremistischem Inhalt zu, die regelmäßig eingingen, und auf Kommentare auf Internetseiten der Gedenkstätten. «Auf solche Einsendungen antworten wir prinzipiell nicht, sondern leiten sie an den Staatsschutz weiter, wenn wir davon ausgehen, dass ein Gesetzesverstoß vorliegt.»

Am Bremer Denkort «Bunker Valentin» hat der Staatsschutz nach Worten des wissenschaftlichen Leiters Marcus Meyer in den vergangenen Jahren zweimal ermittelt, zuletzt hatten Unbekannte im Dezember 2017 den Spruch «Schluss mit dem Schuldkult» an eine Deichwand gegenüber dem Bunker gesprüht. Der Bunker ist die Ruine einer U-Boot-Werft aus dem Zweiten Weltkrieg. Zwischen 1943 und 1945 wurden dort Tausende von Zwangsarbeitern eingesetzt. Viele von ihnen starben.

In der Gedenkstätte Sachsenhausen habe es 2017 zwei Vorfälle gegeben, 2018 bislang vier, hieß es. Darunter seien zwei Vorfälle mit Besuchern gewesen, die rechtsextreme Symbole an ihrer Kleidung trugen. «In zwei Fällen haben wir Anzeige erstattet», sagte Horst Seferens von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. «Insgesamt haben wir 2017 fünf und 2018 bisher zehn Vorfälle mit rechtem Hintergrund, darunter fünf Vorfälle unmittelbar in der Gedenkstätte und fünf Vorfälle in den digitalen Medien.»

Wenn «offenkundig Verbrechen verharmlost, bezweifelt oder gar geleugnet werden» und dies nach Aufforderung nicht unterbleibt, werden Personen von Führungen ausgeschlossen und gebeten, die Gedenkstätte zu verlassen, sagte Seferens: «Letzteres kommt aber glücklicherweise so gut wie nie vor.»

Rikola-Gunnar Lüttgenau von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Thüringen sagte, zwar beobachte man in den vergangenen Monaten keine verstärkten Störungen der Führungen in den Gedenkstätten, allerdings gebe es immer wieder Hakenkreuz-Schmierereien oder Einritzungen in Schilder oder Bäume, die immer zur Anzeige gebracht werden. «In diesem Jahr waren es bislang etwa zehn Fälle, was einen Anstieg im Vergleich zum letzten Jahr bedeutet.»

Die beiden bayerischen KZ-Gedenkstätten Dachau bei München und Flossenbürg bei Weiden beobachten keine Zunahme von Besuchern, die NS-Verbrechen verharmlosen. Die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel verzeichnete dagegen in den vergangenen Jahren mehr Besuche von Gruppen aus der rechten Szene. Das zeige sich etwa durch Einträge im Gästebuch und Aufkleber, die auf dem Gelände gefunden würden, sagte eine Sprecherin.

Internet:
www.stiftung-ng.de
www.denkort-bunker-valentin.de
www.kz-gedenkstaette-dachau.de
www.gedenkstaette-flossenbuerg.de
www.vogelsang-ip.de
www.facebook.com/SachsenhausenMemorial

Source: Kirche-Oldenburg