Hannover/Bremen/Oldenburg (epd). In ihren Pfingstpredigten haben leitende Geistliche in Niedersachsen und Bremen zu mehr Zusammenhalt und Respekt vor der Verschiedenheit der Menschen aufgerufen. In der Marktkirche Hannover unterstrich der hannoversche Landesbischof Ralf Meister den Wert der gesellschaftlichen Diversität: «Was für ein Glück, dass Gott uns mit so unterschiedlichen Begabungen und Ideen ausgestattet hat», sagte der evangelische Theologe am Pfingstsonntag. Es wäre langweilig, wenn alles gleich sei.

 

Meister, der auch Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) ist, betonte zugleich, dass zur Verschiedenheit stets auch der Respekt vor Andersdenkenden gehöre: «Schlimm wäre die Verschiedenheit doch nur, wenn sie das Recht des anderen, etwas zu sagen, verweigern will, es verbietet.»

 

Bremens leitender evangelischer Theologe Bernd Kuschnerus rief zu mehr Achtung voreinander auf. Er erlebe in der Pandemie nicht nur Verschwörungsideologien oder Fake-News, sondern eine fast gnadenlose Rechthaberei, sagte der Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche in einer Videobotschaft. Eine Rechthaberei, «mit der alle Erfolge in der Corona-Bekämpfung klein geredet werden». Kuschnerus sagte, er wünsche sich gerade in dieser Situation eine friedliche Verständigung und ein gutes Miteinander.

 

Der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns rief dazu auf, sich verstärkt den Schwächsten in der Gesellschaft zuzuwenden. Ausgehend von der biblischen Erzählung des «Turmbau zu Babel» forderte der evangelische Theologe zum Verzicht auf Statusdenken und das Streben nach Größe auf. Bedeutender sei das Vertrauen in die Liebe Gottes, die Reiche und Arme gleichermaßen trage. Dieses Vertrauen könne die Perspektive verändern und dabei helfen, «sich dorthin zu wenden, wo andere Menschen uns brauchen, wo unsere Erde uns braucht», betonte Meyns im Braunschweiger Dom.

 

In der Oldenburger Garnisonkirche erinnerte der evangelisch-reformierte Kirchenpräsident Martin Heimbucher an das christliche Prinzip der Gewaltlosigkeit. «Es ist ein anderer Geist, es ist eine andere Logik, die in der Gemeinde Jesu Christi herrschen sollen.» Anstelle obrigkeitlicher Gewalt sollten Christen bereit sein, einander zu dienen und zu helfen.

 

Der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit stellte am Pfingstmontag in der St.-Lambertikirche den wachsenden gesellschaftlichen Individualismus kritisch infrage: «Ich habe nicht den Eindruck, dass die Entwicklungen der letzten Jahre sich so beschreiben lassen, dass wir mehr in einem Geist unterwegs sind als vorher.» Doch sei jeder eingeladen, seine Gaben in die Gesellschaft einzubringen und die Gaben anderer Menschen wertzuschätzen: «Vielfalt, auch Streit um den richtigen Weg, ist Teil des Konzeptes.»

 

In Osnabrück hatte der katholische Bischof Franz-Josef Bode am Vorabend zum Pfingstfest die Hoffnung auf eine Erneuerung der Kirche aus dem Geist Gottes zum Ausdruck gebracht. «Auch nach 2.000 Jahren haben wir es offensichtlich immer noch sehr nötig, mit der Ermutigung und Kraft des Geistes beschenkt zu werden», sagte er in einem am Samstagabend per Livestream übertragenen Gottesdienst aus dem Osnabrücker Dom. Gegenwärtig habe er den Eindruck, dass sich in der Gesellschaft, in der Schöpfung und in der Kirche eine «Geistlosigkeit» ausbreite. Von «Geistesgegenwart» sei nicht viel zu spüren: «Die Widerstandskräfte gegen den Geist sind gewaltig.»

 

Pfingsten gilt als Fest des Heiligen Geistes und als «Geburtstag» der Kirche. Der biblischen Überlieferung zufolge wurde am Pfingstfest der Geist Gottes auf die Jünger Jesu ausgeschüttet. Der Name geht auf das griechische Wort «pentekoste» (der fünfzigste) zurück, weil das Pfingstfest seit Ende des vierten Jahrhunderts fünfzig Tage nach Ostern gefeiert wird.

Kirche-Oldenburg
Leitende Geistliche rufen an Pfingsten zu mehr Gemeinsinn auf – Theologen kritisieren Rechthaberei und wachsenden Individualismus