Der Reformationstag ist durch seiner Aufwertung zum gesetzlichen Feiertag nach Ansicht leitender Theologen in seiner Bedeutung aufgewertet. Sie sehen in dem Tag vor allem eine Chance, aktuellen gesellschaftlichen Themen Raum zu geben.
Hannover/Bremen (epd). Evangelische Theologen in Niedersachsen und Bremen sehen ein Jahr nach der Einführung des dauerhaften gesetzlichen Feiertages im Land die öffentliche Wirkung des Reformationstages gestärkt. «Die gesellschaftliche Wahrnehmung dieses Feiertages geschieht vor allen Dingen über die zahlreichen Gottesdienste und Veranstaltungen in ganz Niedersachsen», sagte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn etwa Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am 31. Oktober in Wunstorf auf die Kanzel steige, sei dies nur ein Beispiel für eine gute gesellschaftliche Wirkung.
Im Streit vor der Einführung des Feiertages im vergangenen Jahr hatten die evangelischen Kirchen betont, sie wollten den Reformationstag offen, ökumenisch und interreligiös mit Blick auf zentrale Fragen der Gesellschaft begehen. Meister betonte: «Dieses Ziel wird in den Kirchengemeinden und Kirchenkreisen eingelöst.» Einer Umfrage zufolge seien viele interreligiöse Veranstaltungen in Niedersachsen geplant.
Auch die Bremische Evangelische Kirche setzt mit ihrem Programm zum Reformationstag (31. Oktober) nach Auffassung des leitenden Bremer Theologen Bernd Kuschnerus einen «klaren Gegenpol zur Kommerzialisierung von Geselligkeit». Unter dem Motto «Freiheit in Vielfalt» biete sie Alternativen zum Kommerz und zum zeitlich eng getakteten Alltag, sagte der Schriftführer der bremischen Kirche: «Für uns steht am 31. Oktober die Aktualität des reformatorischen Erbes im Vordergrund.»
Dazu gehört Kuschnerus zufolge die Beschäftigung mit Begriffen wie Freiheit und Vielfalt. Sie sollten in diesem Jahr mit Veranstaltungen zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer und zur «Fridays for Future»-Bewegung aufgenommen werden. Auch der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns betonte, der Feiertag sei heute ein guter Tag, um ökumenisch und mit anderen Religionsgemeinschaften über die Herausforderungen der Zeit nachzudenken. Dies könne gemeinsam mit allen geschehen, denen das Gemeinwohl wichtig sei: «Zum Beispiel im gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus.»
Der oldenburgische Bischof Thomas Adomeit unterstrich, der Reformationstag mache Errungenschaften der Reformation wie Freiheit und Toleranz für die Zukunft der Gesellschaft fruchtbar. Er bezeichnete den 31. Oktober «als einen Tag des Miteinanders und der Versöhnung». Der evangelisch-reformierte Kirchenpräsident Martin Heimbucher bekräftigte in Leer, der Tag trage dazu bei, «dass wir uns in den Veränderungen der Gegenwart der Wurzeln nicht nur unserer Kirche, sondern auch unserer Kultur bewusstwerden».
Anders als in Bremen hatten in Niedersachsen neben religionskritischen Gruppen vor allem die jüdischen Gemeinden den Reformationstag als Feiertag mit dem Hinweis auf judenfeindliche Äußerungen des Reformators Martin Luthers (1483-1546) abgelehnt. Auch die katholische Kirche war gegen den Reformationstag.
Der Tag erinnert an die Veröffentlichung der 95 Thesen gegen Missstände in der mittelalterlichen Kirche durch Luther am 31. Oktober 1517. Nach Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen hatte im Juni vergangenen Jahres auch der Landtag in Bremen dem Reformationstag als neuem gesetzlichen Feiertag zugestimmt, der damit an der Weser in diesem Jahr zum zweiten Mal regulär arbeitsfrei ist. In Mecklenburg-Vorpommern ist er wie in ganz Ostdeutschland außer Berlin bereits seit der Wiedervereinigung ein gesetzlicher Feiertag.
Source: Kirche-Oldenburg