25 Ehrenamtliche beim Fortbildungsabend in Apen

Deutschland, 1954: „Mehr als 4.500 Menschen lebten in einem Lager nahe Aurich. So richtig willkommen waren diese Menschen nicht. Aber die Folgen des Krieges trieben sie zur Flucht – und sie landeten mitten in Ostfriesland.“ Theo Lampe, beim Diakonischen Werk Oldenburg zuständig für Migrationsfragen, erinnerte zu Beginn seines Vortrag Anfang Juni an die Erfahrungen vieler Deutscher mit Krieg, Flucht und Vertreibung, aber auch mit eigener Migrationserfahrung. Es war der erste von neun Fortbildungsabende für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit. Fast folgerichtig stellte sich bei der Vorstellungsrunde heraus, dass nur zwei Ur-Ammerländer im Gemeindehaus in Apen anwesend waren, die nicht nur selbst, sondern deren Eltern und Großeltern ebenfalls im Ammerland geboren waren. Ein Drittel hatte Großeltern mit kriegsbedingtem Migrationshintergrund.

„Es kommt deutlich mehr zurück als ich mit meinem Engagement investiere“ berichtet eine Teilnehmerin unter der Zustimmung vieler. Viele Ehrenamtliche haben großes Interesse an den Ländern und Kulturen der Flüchtlinge, an Austausch, an gemeinsamen Unternehmungen, so dass Hilfe und Unterstützung fast zur Nebensache werden. „Wir können viel zeigen und vermitteln, aber mindestens genauso viel lernen.“

Referent Lampe: „Flüchtlinge haben Hoffnung auf ein besseres Leben. Diese Hoffnung ist größer als ihre Angst, auf der Flucht umzukommen.“ Deshalb träfen Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit auf Menschen, die zukunftsorientiert seien, die etwas wollten. Die heutigen Flüchtlinge haben vor allem die Hoffnung, für ihre Kinder und Enkel eine bessere Zukunft zu schaffen. „Es ist wie bei den Emigranten, die um 1850 wegen der Armut in Norddeutschland nach Nordamerika ausgewandert sind. Auch sie hatten vor allem ein besseres Leben für Kinder und Enkel vor Augen.“

Maximal ein halbes Prozent der Bevölkerung müsste als Flüchtlinge aufgenommen werden. „Das dürfte unsere Gesellschaft doch wohl verkraften“ so Lampe. Weltweit gäbe es zurzeit 56.000.000 Flüchtlinge, von denen im letzten Jahr gerade einmal 400.000 in Deutschland gelandet seien. Außerdem könne man feststellen, dass Städte und Gemeinden mit einem hohen Anteil von Bürgern mit Migrationshintergrund die jeweils wirtschaftlich stärkeren seien. Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum die Abschreckungsbehandlung der 1990er Jahre durch die heutige Willkommenskultur abgelöst wurde. Auch wenn wirtschaftliche Erwägungen im Asylrecht eigentlich nichts zu suchen hätten, sei es im Ergebnis natürlich erfreulich, dass es nun zu einem angemessenen menschlichen Miteinander komme.

In einem Punkt appellierte Theo Lampe an die Ehrenamtlichen im Landkreis Ammerland. „Wer in eine neue unbekannte Gesellschaft kommt – und da geht es Flüchtlingen nicht anders als Austauschschülern – durchlebt einige Zeit nach der euphorischen Ankunftszeit eine Phase der Dekompensation. Hier kommt es auf behutsame und Mut machende Begleitung an. Das können weder Behörden noch Wohlfahrtsverbände, das können am besten bürgerschaftlich Engagierte.“

Der nächste Fortbildungsabend für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit ist am 29. Juni 2015 um 19.00 Uhr im Evangelischen Haus, Kirchenstraße 5, in Westerstede. Referent ist Frank Vogts, Leiter des Amtes für Arbeit und Soziales der Stadt Westerstede, der über „Die ersten 14 Tage“ für neu ankommende Flüchtlinge im Landkreis Ammerland berichten wird. Die Fortbildungsreihe wird durchgeführt vom Evangelischen Bildungswerk Ammerland in Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk Ammerland und dem Ev.-luth. Kirchenkreis Ammerland.

Ein Beitrag von Peter Tobiassen, Evangelisches Bildungswerk Ammerland

Source: Kirche-Oldenburg