Hannover (epd). Die im neuen Beteiligungsforum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) engagierten Betroffenenvertreter dringen auf grundlegende Veränderungen in der EKD und den 20 Landeskirchen beim Umgang mit Missbrauchsfällen. «Noch immer ist der Umgang mit sexualisierter Gewalt in vielen Landeskirchen und kirchlichen Institutionen nicht von Offenheit und Fürsorge geprägt, sondern von institutioneller Abwehr», erklärten sie am Donnerstag in Hannover. In dem neuen Beteiligungsforum allerdings gebe die EKD «Deutungshoheit und Macht» ab.

 

«Aufarbeitung, Umgang und Prävention von sexualisierter Gewalt wird nicht mehr ohne Betroffene gehen. Ihre Rolle ist nicht mehr nur beratend, sondern gestaltend», erklärten die acht im Beteiligungsforum mitarbeitenden Betroffenen sexualisierter Gewalt. Dennoch blieben Zweifel, ob die Landeskirchen die Beschlüsse auf EKD-Ebene umsetzen, ausreichende Mittel bereitgestellt werden und wirkliche Unterstützung und Hilfe bei den Betroffenen ankommt.

 

Das Beteiligungsforum dürfe kein «Feigenblatt» werden, sondern müsse zu grundsätzlichen Verbesserungen für Betroffene führen. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus habe die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt nach ihrer Wahl im vergangenen November zur Chefinnensache erklärt. «Sie nehmen wir beim Wort», erklärten die im Beteiligungsforum vertretenen Betroffenen.

 

Das neu geschaffene Beteiligungsforum nimmt am Freitag seine Arbeit auf. Ziel ist es, dass Betroffene sexualisierter Gewalt künftig mit über den Umgang mit Missbrauchsfällen entscheiden. In dem Beteiligungsforum beraten Betroffene, Bischöfe und weitere kirchliche Beauftragte gemeinsam.

 

Eine frühere Form zur Beteiligung Betroffener bei der Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch in der evangelischen Kirche war gescheitert, unter anderem weil die Betroffenen kritisiert hatten, nicht auf Augenhöhe mitreden und mitentscheiden zu können. Ein zunächst gegründeter zwölfköpfiger Betroffenenbeirat wurde im vergangenen Jahr aufgelöst. Seitdem hatte die EKD nach einer neuen Form gesucht.

 

Dem Beteiligungsforum gehören acht Betroffene sowie neun Vertreter und Vertreterinnen der institutionellen Seite an, darunter leitende Geistliche und Juristen sowie die Präses der Synode der EKD, Anna-Nicole Heinrich. Für einen Beschluss des Gremiums wird nach EKD-Angaben künftig sowohl eine Mehrheit unter den Betroffenen als auch unter den kirchlichen Vertretern notwendig sein. Sprecher für die institutionelle Seite bleibt der Braunschweiger Bischof Christoph Meyns. Als Sprecher der Betroffenen fungieren Nancy Janz und Detlev Zander.

 

Aufgabe des Beteiligungsforums soll es sein, Entscheidungen vorzubereiten, die der Rat der EKD, die Kirchenkonferenz als Zusammenschluss aller 20 Landeskirchen oder das Kirchenparlament – die Synode – treffen müssen. Dazu sollen themenbezogene Arbeitsgruppen eingesetzt werden, die sich unter anderem mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, Disziplinarverfahren und den sogenannten Anerkennungsleistungen für Missbrauchsopfer beschäftigen.

 

Die acht im Beteiligungsforum vertretenen Betroffenen erklärten, trotz der «frustrierenden Erfahrung des Scheiterns des Betroffenenbeirats» hätten sie sich dazu entschlossen, «für unsere und die Rechte anderer Betroffener einzustehen und zu kämpfen». «Wir sind uns bewusst, dass wir nur einen Teil von Betroffenen vertreten», erklärten sie und baten um einen Vertrauensvorschuss anderer Betroffener wie um deren Mitarbeit und Anstöße.

Kirche-Oldenburg
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