Seit zehn Jahren leitet Thomas Feld als theologischer Vorstand die Diakonie im Oldenburger Land. Ein Anlass, beim Abend der Begegnung gemeinsam mit Dr. Christoph Künkel, auf die Herausforderungen in dieser Tätigkeit zu schauen. Oberlandeskirchenrat a.D. Künkel war bis 2017 Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen. Er machte es gleich zu Beginn deutlich: „Es gibt für mich keine Kirche ohne Diakonie und keine Diakonie ohne Kirche. Kirche ohne Tat, ist nur Geschwätz, und Diakonie ohne das göttliche Wort ist nur Getue.“ Und Feld betonte: „Kirche muss in ihrer Gestalt als Diakonie als ernst zu nehmender gesellschaftlicher Akteur präsent bleiben.“
  
Künkel und Feld gingen in ihrem Gespräch immer wieder auf das Spannungsverhältnis Markt und Hilfe ein. Natürlich sei die Diakonie den Marktverhältnissen genauso unterworfen, wie die Mitbewerber, doch es gebe Grenzen.  „Ich möchte, dass ein Mitarbeiter in der Diakonie, Klienten bestmöglich versorgt, professionell und fachlich, weil das Gegenüber wie andere auch ein Recht darauf hat, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Diesem Recht aber steht der Markt zuweilen im Weg. Zumindest dann, wenn nicht mehr der Klient im Vordergrund des Interesses steht, sondern das Unternehmen. Diese Spannung zu benennen und an ihr zu arbeiten – ist eine spezifisch kirchliche, eine spezifisch diakonische Aufgabe“, sagte Künkel.  Feld betonte, der Markt komme überall da an Grenzen, wo wir es mit echter, substanzieller, wirtschaftlicher Armut zu tun haben. „Alle Hilfen, die wir in diesem Bereich anbieten, arbeiten, wenn alles gut geht, gerade auskömmlich. In der Regel können wir diese Arbeitsfelder aber nur mit Hilfe von kirchlichen Zuschüssen, Mitteln aus der Konzessionsabgabe und in nicht geringem Umfang über Spenden vieler engagierter Bürger aufrechterhalten. Mit Armut kann man kein Geld verdienen! Wer hier tätig werden will, muss bereit sein Geld mitzubringen.“ Das betreffe so unverzichtbare Arbeitsfelder wie die Bahnhofsmission, die Wohnungslosenhilfe, die Tagesaufenthalte, die Schuldner-, Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung sowie die allgemeine kirchliche Sozialberatung und nicht zuletzt die Migrations- und Flüchtlingshilfe. Und mit Blick auf die Zukunft sagte Feld: „Diakonische Hilfe, die vom anderen ausgeht und ihn wahrnimmt, ohne schon an Möglichkeiten der Refinanzierung zu denken, darf nicht verloren gehen – welche Gestalt auch immer unsere kreisdiakonischen Werke haben werden. Ich wünsche sehr, dass es uns gelingt auch in Zukunft dafür hilfreiche Strukturen zu entwickeln.“
  
Auf die Spannung zwischen Wirtschaftlichkeit und diakonischer Kultur wies Künkel im Gespräch auch am Feld der Altenhilfehin: „Es hat sich inzwischen bis zu Herrn Spahn rumgesprochen, dass es Grenzen der Verwirtschaftlichung für so intime Vorgänge wie die Pflege von Kranken und Hochbetagten gibt. Pflege im Minutentakt ist nur ein anderer Ausdruck für Pflege im Akkord. Ein solcher Begriff aus der industriellen Fertigung ist mit der Hinwendung zu Menschen nicht vereinbar. Es wird Zeit, dass wir von diesen Berechnungsmodellen Abschied nehmen, denen auch wir in der Diakonie aufgesessen sind.“
  
Fast 200 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kultur und den verschiedenen diakonischen Arbeitsbereichen waren zum Abend der Begegnung in den Oldenburgischen Landtag gekommen. Begrüßt wurden sie durch den Bischof der ev.-Luth. Kirche in Oldenburg Thomas Adomeit. Er dankte den Diakonie-Mitarbeitenden genauso wie den Partnern aus Kommunen, Städten, der Ökumene und befreundeten Verbänden und Organisationen. "Gemeinsam kann es uns gelingen, für eine Gesellschaft einzutreten, die den Menschen und seine Bedürfnisse in die Mitte stellt", sagte Adomeit. Dabei sieht der Bischof durchaus Luft nach oben. Er nannte als signifikantes Beispiel die Bezahlung von Mitarbeitenden in pflegenden und anderen sozialen Berufen". Mitarbeitende der Diakonie nutzen die Gelegenheit, den Gästen des Abends die Verdi-Forderungen in der laufenden Tarifrunde vorzustellen.
  
Kerstin Kempermann
Source: Kirche-Oldenburg