Bremen (epd). Der Mensch ist sündig. Aber er kann sich von den Sünden befreien, indem er einen Ablassbrief kauft und so seine Seele wieder reinwäscht – was im Mittelalter üblich war, brachte den Reformator Martin Luther (1483-1546) auf die Barrikaden und ließ ihn vor 500 Jahren 95 Thesen vor allem gegen den damals schwungvollen Ablasshandel der Papstkirche schreiben. Doch der Handel mit dem Sündenerlass ist nie ganz verschwunden und feiert auf moderne Weise ein Comeback. Beispielsweise beim Ausgleich von CO2-Sünden. Wie vor Jahrhunderten gilt auch heute: Ein reines Gewissen kostet Geld.

Weltlich gesehen ist Ablass jederzeit zu haben. Bußfertige Klimasünder etwa können über das Internet eine Kompensation für ihren Urlaubsflug buchen, etwa bei der Klimaagentur Atmosfair. Mit einem Emissions-Rechner kann online ermittelt werden, wie viel CO2 ein Flug verursacht. Auf der Strecke von Bremen nach Palma de Mallorca wären das beispielsweise knapp 700 Kilo. Diese Menge an Treibhausgas spart die 2005 gegründete gemeinnützige Bonner Organisation eigenen Angaben zufolge in einem von derzeit mehr als 20 Klimaschutzprojekten ein, die mit Spenden unterstützt werden.

Beim Mallorca-Flug wären dafür 16 Euro fällig – gutes Gewissen für kleines Geld. Laut Jahresbericht 2016 hat Atmosfair bisher Klimaschutzprojekte mit mehr als 16 Millionen Euro gefördert und überdies Projektbetreibern zwölf Millionen Euro an Fördermitteln bis 2020 vertraglich zugesagt. Wer will, kann sogar Klimaschutz verschenken, indem er personalisierte Zertifikate etwa für Holzvergaser-Öfen in Indien oder Biogasanlagen in Nepal erwirbt.

Kritiker beispielsweise von der Umweltschutzorganisation WWF sagen, CO2 über Zertifikate einzusparen, sei die zweitbeste Lösung. Besser sei es, zu einem guten Ökostromanbieter zu wechseln. Oder schlicht, klimabewusster Urlaub zu machen.

Atmosfair räumt zwar ein, die Kompensation sei kein Allheilmittel, könne aber einen sinnvollen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele darstellen. So oder so heißt das: Wer sich mit gutem Gewissen an den Strand legen will, muss zahlen. Ähnlich läuft es für alle, die sich klima- und umweltbewusst ernähren wollen. Produkte mit Öko-Siegel sind in aller Regel teurer. Und auch, wer sich mit seinen Geldanlagen sozial, ökologisch, nachhaltig und fair orientieren will, berappt mehr.

Dazu kommt: Der Markt ethisch-ökologischer Geldanlagen ist unübersichtlich. «Es gibt keinen einheitlichen Standard, der festlegt, was klimafreundlich und was nachhaltig ist», sagt Ulrike Brendel, Leiterin des Projektes «Gut fürs Geld, gut fürs Klima» bei der Verbraucherzentrale in Bremen. Viele Angebote seien eine Art «black box» und schwer zu durchschauen.

Zwar wächst nach Angaben des Berliner Forums Nachhaltige Geldanlagen der Anteil derartiger Investments in Deutschland kontinuierlich, beträgt gemessen am Gesamtmarkt aber nur 2,8 Prozent. Mit Nachhaltigkeitskritierien in der Finanzgesetzgebung wäre das Segment größer, meint Ulrike Brendel. Doch für einen ethisch-ökologisch ausgerichteten Konsum seien politische Richtlinien nötig: «Es kann nicht alles auf die Verbraucher abgewälzt werden.» Wenn das so wäre, so viel ist klar, müsste ein gutes Gewissen nicht zusätzliches Geld kosten.
Source: Kirche-Oldenburg