Oldenburg (epd). Das Landgericht Oldenburg hat die Anklage gegen frühere leitende Mitarbeiter des Klinikums Oldenburg im Zusammenhang mit den Morden des früheren Krankenpflegers Niels Högel nur eingeschränkt zugelassen. Vier Angeschuldigte müssten sich für drei Todesfälle im Klinikum Oldenburg verantworten, teilte das Landgericht am Dienstag mit. Damit weicht das Gericht erheblich von den Anklagen der Staatsanwaltschaft ab. Diese hatte bei den Angeschuldigten auch eine Mitverantwortung für 60 Morde in Delmenhorst gesehen, wo Högel später gearbeitet hatte. Ob die Staatsanwaltschaft dagegen Beschwerde einlegt, werde derzeit noch geprüft, sagte ein Sprecher auf Nachfrage.

 

Högel war Anfang Juni 2019 wegen 85-fachen Mordes an Patienten in Oldenburg und Delmenhorst zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er hatte nach Überzeugung des Gerichts seine Patienten mit Medikamenten vergiftet, die zum Herzstillstand führten, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er als Lebensretter glänzen. Im Mordprozess war deutlich geworden, dass die Vorgesetzten in Oldenburg nach einem Verdacht dem Pfleger die Kündigung nahegelegt hatten. Mit einem guten Zeugnis bewarb sich Högel dann erfolgreich in Delmenhorst.

 

Vor dem Landgericht verantworten müssen sich ein ehemaliger Geschäftsführer, ein früherer Chefarzt der kardiologischen Intensivstation, ein Pflegedienstleiter der kardiologischen Intensivstation und eine ehemalige Pflegedirektorin. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen Totschlag durch Unterlassen vor – das Landgericht ließ jedoch nur den Tatvorwurf der Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen zu. Sie wollte zudem den ärztlichen Leiter der Anästhesie-Station des Klinikums Oldenburg anklagen, was das Gericht ebenfalls ablehnte.

 

Insgesamt ließ das Gericht keinen einzigen Anklagepunkt zu, der sich auf die Todesfälle im Klinikum Delmenhorst bezog. Die Beschäftigten des Klinikums Oldenburg seien sie nicht für Patienten in Delmenhorst, sondern nur für ihre Patienten in Oldenburg verantwortlich gewesen. Schutzpflichten gegenüber den Patienten in Delmenhorst hätten nicht bestanden. Aus diesem Grund müsse sich auch der angeschuldigte Chefmediziner der Anästhesie-Station nicht vor Gericht verantworten. Alle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen hätten sich auf die Todesfälle in Delmenhorst bezogen.

 

Der Umstand, dass die Angeschuldigten Högel möglicherweise hätten stoppen können, mache sie nicht zu Tätern im Rechtssinne, erläuterte das Gericht. Es bestehe lediglich der Verdacht, dass sie Högel aus Sorge um das eigene Ansehen, die Station oder die Klinik unterstützt haben könnten, indem sie ihn gewähren ließen. Die Angeschuldigten hätten auch nicht gewusst, wann und bei wem Högel als nächstes zuschlagen werde. Darum hätten sie keinen Einfluss auf die konkreten Taten gehabt.

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