Bremen (epd). Kinder bedroht es nach den Erfahrungen der Bremer Diplom- und Sonderpädagogin Marina Schürmann häufig existenziell, wenn bei Vater oder Mutter Krebs festgestellt wird. "Weil Eltern für Kinder und Jugendliche Stabilität garantieren, informiert man sie am besten möglichst bald nach der Diagnose, behutsam und kindgerecht", sagte die Leiterin des spendenfinanzierten Hilfsprojektes "Pegasus" dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mit der Initiative unterstützt die Krebsgesellschaft in Bremen Kinder und Jugendliche, wenn Eltern, Geschwister oder Großeltern an Krebs erkrankt sind.

"Sie merken ohnehin, dass etwas Schlimmes los ist", sagte Schürmann. Das Gespräch darüber stabilisiere, alle fühlten sich als Familie. "In unseren Gruppen erleben die Kinder, dass es noch andere Familien gibt, bei denen wegen vieler Arzttermine manches unmöglich ist, Eltern häufiger gereizt sind oder unter der Chemotherapie die Haare verlieren."

Bei "Pegasus" müssten sie keine Rücksicht auf kranke Angehörige nehmen, dürften sauer auf den Krebs des Vaters sein oder wütend, wenn die kranke Schwester ungerecht sei und kaum noch Zeit für sie habe. "Bei uns können sie ihre Gefühle auch ausdrücken, wenn Worte fehlen und Sprache versagt – beispielsweise mit langem, lautem und wütendem Trommeln", erklärte die 35-jährige Projektkoordinatorin das Angebot für jüngere Kinder.

"Ihnen gefällt, dass sie hier alles sagen dürfen und alle sie verstehen", ergänzte sie. Das gelte auch, wenn ein Kind glaube, dass es Schuld am Krebs sei, weil es die Mutter geärgert habe. "Das ist im Kindergarten- und Grundschulalter normal. In der Zeit glauben Kinder an magische Zusammenhänge und damit unter Umständen auch, dass ihr Verhalten Krebs auslösen kann."

Wenn Eltern ihren Kindern von einer unheilbaren Krebsdiagnose erzählten, seien manche schockiert, wenn ihr Kind als nächstes frage, wer es in die Schule bringe, wenn der Vater nicht mehr da sei. "Bei Elterngesprächen oder in Vorträgen informiere ich deshalb auch darüber, dass sich alle Kinder in dem Alter praktische Fragen stellen." Sie könnten nicht einschätzen, was "für immer" bedeute. Das sei meist erst ab zehn bis zwölf Jahren möglich.

"Was Kinder und Jugendliche als Angehörige von Krebskranken am meisten brauchen, ist Sicherheit", betonte Schürmann. Beginnen könne die Familienbegleitung dabei bereits direkt nach der Diagnose, beispielsweise mit der Frage "wie erkläre ich es meinem Kind?". Aber noch würden Eltern sich oft erst melden, wenn sich die Situation verschlechtere.

Die Bremer Krebsgesellschaft und die Musiktherapeutin Marie-Luise Zimmer haben im September 2000 "Pegasus" gegründet. Hintergrund war die Erfahrung, dass es für die gesunden Kinder von krebserkrankten Angehörigen keinerlei kassenfinanzierte präventive Angebote gibt.
  
Source: Kirche-Oldenburg