Einmal mehr stellt sich Pfarrer Kossen den Mächtigen in den Weg – vor der CDU-Zentrale in Berlin. Die Partei lasse sich vor den Karren der Fleischindustrie spannen, wettert er. Drei Stunden harrte er aus. Von der CDU ließ sich niemand blicken.

Berlin/Vechta (epd). Mehr als drei Stunden hat der katholische Theologe und Menschenrechtler Peter Kossen am Montag vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin gegen die Arbeitsschutzpolitik der CDU/CSU protestiert. Alleine, mit Mund-Nasen-Schutz und mit einem braunen Papp-Schild in der Hand postierte er sich vor dem Haupteingang der CDU-Zentrale. «Werkverträge und Leiharbeit verbieten! Keine Schlupflöcher im Arbeitsschutzkontrollgesetz!» lautete die mit Filzstift geschriebene Forderung. Aber niemand von der Partei habe sich ihm zugewandt, sagte Kossen dem epd. Lediglich Passanten hätten sich interessiert gezeigt. Am Nachmittag trat er per Zug die dreieinhalbstündige Rückfahrt nach Lengerich in Nordrhein-Westfalen an.

Seiner Ansicht nach verzögert die Union das von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) entworfene Arbeitsschutzkontrollgesetz, das zum 1. Januar 2021 in Kraft treten sollte. Es sollte die Werkvertragsarbeit und auch die Leiharbeit in der Fleischindustrie verbieten. Die Union wolle jedoch die Leiharbeit weiter gestatten, kritisierte Kossen und ergänzte: «Damit macht sie sich zum Komplizen der Sklaventreiber. Nicht für die Täter Partei zu ergreifen, sondern für die Opfer, ist die dringliche Aufgabe einer christlichen Volkspartei!»

Das Gesetz sollte Ende Oktober im Bundestag verabschiedet werden, war aber kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen worden. Auch die SPD hatte der Union eine Blockade und Verwässerung des Gesetzes vorgeworfen. Kossen argumentierte, schon jetzt werde Werkvertragsarbeit zur Leiharbeit umetikettiert. So könnten «die Verantwortlichen moderner Sklaverei einfach weitermachen». Er befürchtet, dass die Entscheidung im Bundestag weiter verzögert wird und dann tatsächlich eine abgeschwächte Variante herauskommt.

Der Theologe prangert seit Jahren die menschenunwürdigen Bedingungen von Arbeitsmigranten vor allem in der Fleischindustrie im Nordwesten Deutschlands an. Der Lengericher Gemeindepfarrer kritisiert immer wieder den Missbrauch von Werkvertrags- und Leiharbeit zum Zweck von Lohn- und Sozialdumping und spricht unverblümt von Sklaverei und Menschenhandel. Auch vor Werkstoren hat er schon alleine demonstriert. Im Juli bekam er dafür den nordrhein-westfälischen Verdienstorden. Kossen stammt aus Vechta und arbeitet mittlerweile im Bistum Münster.

Für das Abfedern des Saisongeschäfts sei weder die Werkvertragsarbeit noch die Leiharbeit nötig, betonte der Pfarrer. Es gebe andere Instrumente, die nicht so leicht zu primitivem Lohn- und Sozialdumping missbraucht werden könnten. CDU und CSU ließen sich jedoch von den Drohungen der Fleischindustrie und der Leiharbeitslobby beeindrucken und wollten das längst überfällig Gesetz entkräften. «So ist es in den vergangenen Jahren immer wieder gewesen, deshalb hat sich bis heute nichts zum Guten verändert. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass die in vielen Teilen mafiös durchseuchte Fleischindustrie jedes Schlupfloch brutal zur Ausbeutung und Abzocke ausnutzt.»

Kirche-Oldenburg
Pfarrer Kossen protestiert vor CDU-Zentrale in Berlin – Vorwurf: Union macht sich zum «Komplizen der Sklaventreiber» in der Fleischindustrie