Osnabrück/München (epd). Der Münchener Pflegekritiker Claus Fussek hält einen Perspektivwechsel mit Blick auf die Pflege für nötig. «Würde es uns endlich gelingen, die Pflege aus der Perspektive alter, pflegebedürftiger, wehrlos ausgelieferter Menschen zu sehen, dann würden wir eine würdevolle Pflege erreichen», sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Sonnabend). Zudem sei es nötig, dass Pflegekräfte untereinander und mit anderen Gesundheitsberufen solidarisch seien. «Dann würden sie die mächtigste Berufsgruppe in Deutschland bilden. Sie machen es aber nicht.»
Nach wie vor verdienten zu viele Menschen zu viel Geld an dem bestehenden System, sagte Fussek. Es handle sich teilweise um ein perverses System, «in dem man mit schlechter Pflege legitim Milliarden verdienen darf». Mit Gesundheit, Krankheiten und Pflege dürfe keine Rendite erzielt werden. «Wenn wir den Anspruch ‘Reha vor Pflege’ konsequent umsetzen und die alten Menschen nicht systematisch in die Betten pflegen würden, könnten wir die Lebensqualität der pflegebedürftigen Menschen erhöhen und die Arbeitszufriedenheit der Pflegekräfte stärken und nebenbei auch Geld sparen», betonte er. «Aber man will es nicht, weil das System umgekehrt mehr Geld verdient.»
Fussek, der seit Jahrzehnten Missstände in der Pflege anprangert, bemängelte, vielerorts habe sich nicht viel geändert. «Bis heute herrscht eine Allianz der Angst und des Schweigens.» Pflegekräfte hätten angeblich Angst um den Arbeitsplatz, Angst vor Mobbing, wenn sie Missstände öffentlich anprangerten. «Dabei haben sie sich aufgrund des Ethik-Kodexes selbst verpflichtet, die ihnen anvertrauten Menschen zu schützen.» Hinzu kämen die alten Menschen in den Pflegeheimen, die sich aus Angst vor Nachteilen nicht beschweren.
Kirche-Oldenburg
Pflegekritiker Fussek: Brauchen einen Perspektivwechsel