Oldenburg (epd). Lehrer, Eltern und Schüler sollten nach Ansicht der Pädagogik-Professorin Barbara Moschner gelassener mit Schulnoten umgehen. «Die Zensurenvergabe ist nie objektiv und von vielen oft unbewussten Faktoren abhängig», sagte die Direktorin des Didaktischen Zentrums der Universität Oldenburg im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im besten Fall könne es «gerechte Noten» geben. Ein schulischer Erfolg lasse sich nur bedingt von Noten ablesen.
Obwohl Lehramtsstudierende auf mögliche Fallen bei der Notenvergabe hingewiesen würden, gewönnen doch oft Erfahrungen, Vorlieben oder die eigenen Perspektiven auf die Welt einen großen Einfluss auf die Bewertung der Schülerinnen und Schüler, sagte Moschner. Dies beginne bereits bei deren Vornamen: Charlotte und Alexander würden eher Eigenschaften wie Leistungsstärke und Fleiß unterstellt als Mandy oder Justin. In einer Studie aus dem Jahr 2009 benannten Lehrer besonders den Namen Kevin als Stereotyp für einen verhaltensauffälligen Schüler.
Auch die Handschrift, das Geschlecht oder die soziale Herkunft spielten eine Rolle. «Wenn Sie Mühe haben, einen mit krakeliger Handschrift verfassten Aufsatz überhaupt zu entziffern, ist eine inhaltlich objektive oder gerechte Bewertung schon fast nicht mehr möglich.» Auch hielten sich Vorurteile, denen zufolge Jungen intelligent und faul, Mädchen dagegen fleißig, aber weniger klug sind.
Die Gründe für solche Vorurteile liegen laut Moschner in der Vergangenheit: «Unsere Gesellschaft lebt die Hierarchie. In unserem Gedankengut ist noch viel vom preußischen Militärgehorsam vorhanden. Das wirkt sich auch auf Schulen, ja auch auf die Hochschulen aus.» Den Lehrern fehle es an einem Korrektiv. «Außerdem ist es schwierig, Kritik anzunehmen, wenn man den ganzen Vormittag qua Amt recht hat.»
Einigen Schülern gelinge es, genau das abzuliefern, was der Lehrer oder die Lehrerin hören und sehen wolle, sagte die Professorin. Dazu gehöre etwa das Einhalten eines bestimmten Rechenwegs, obwohl andere Wege zum gleichen Ergebnis kämen. «Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Schüler den Unterrichtsstoff besser begriffen hätten als andere.» Studien hätten gezeigt, dass beispielsweise Deutsch-Aufsätze und selbst Mathe-Arbeiten von Zweitkorrektoren, denen die Schüler unbekannt seien, deutlich anders bewertet werden könnten.
Moschner appellierte an die Lehrer, sich die Fallstricke bei der Notenvergabe immer wieder bewusstzumachen. Außerdem sei es sinnvoll, die sozialen Kompetenzen der Schüler stärker zu berücksichtigen. «Ich rate meinen Studierenden immer, einen Blick auf die Alterspyramide zu werfen. Unsere Schüler müssen so qualifiziert werden, dass sie später – wenn wir alt sind – unsere Gesellschaft vernünftig regeln können.»
Source: Kirche-Oldenburg