Aufrufe zu Toleranz bestimmten die Predigten zum Reformationstag in diesem Jahr. Die leitenden Theologen in Niedersachsen wandten sich gegen jede Form von Antisemitismus.
Hannover/Oldenburg (epd). Bei den Feiern am Reformationstag in Niedersachsen haben evangelische Theologen zu mehr Toleranz und Verständigung in der Gesellschaft aufgefordert. Der Bischof der hannoverschen Landeskirche, Ralf Meister, sagte: «Wir leben in Zeiten, in denen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass wieder laut werden.» Sie seien auch nicht «in der Mitte angekommen», wie es nach dem antisemitischen Anschlag in Halle geheißen habe: «Sie waren nie weg. Und sie kommen wieder an die Oberfläche und reißen andere in ihre Dummheit und ihren Wahn», warnte der Bischof der größten deutschen Landeskirche in der Marktkirche in Hannover.
Auch der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit wandte sich gegen Antisemitismus. Es erfülle ihn mit Wut und Traurigkeit, dass jüdische Geschwister Angst um Leib und Leben haben müssten, «weil sie sich zu ihrem Glauben bekennen und zum Gebet versammeln», sagte er in einem Radiogottesdienst aus der Stadtkirche in Jever. Es zeige, dass es noch viel zu tun gebe, um dem Anspruch, eine freie und offene Gesellschaft zu sein, näherzukommen.
Der Kirchenhistoriker Christoph Markschies ermutigte dazu, biblische Worte nicht nur anzuhören, sondern auch danach zu handeln. Bestimmte biblische Sätze müssten öffentlich wiederholt werden, «um gegen Unrecht, Ungerechtigkeit und Unfrieden Widerstand zu leisten», sagte der Professor für Ältere Kirchengeschichte an der Berliner Humboldt-Universität im Braunschweiger Dom und fügte hinzu: «Wenige Tage, nachdem viele Menschen in einem Bundesland eine rechtsextreme Partei gewählt haben und wenige Wochen nachdem eine Synagoge ohne jeden Polizeischutz fast zum Opfer eines antisemitischen Massenmörders geworden wäre, muss ich darüber wenige Worte machen.»
Der braunschweigische Landesbischof Christoph Meyns rief zu Gottvertrauen, Gelassenheit und Dankbarkeit auf. «Auf dieser spirituellen Grundlage wächst in uns die Fähigkeit, über den Tellerrand der eigenen Befindlichkeiten hinaus zu sehen und auf das zu schauen, was andere Menschen von uns brauchen», sagte er im Dom zu Königslutter. Wer sich um sich selbst keine Sorgen mache, müsse auch nicht ängstlich um sich kreisen. So werde der Mensch fähig, andere zu lieben.
Der Reformationstag erinnert an die Veröffentlichung der 95 Thesen gegen Missstände in der mittelalterlichen Kirche durch Martin Luther (1483-1546) am 31. Oktober 1517. Luther soll sie der Überlieferung zufolge an die Tür der Wittenberger Schlosskirche angebracht haben. Seine Thesen lösten die Reformation aus, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.
In Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein ist der 31. Oktober in diesem Jahr zum zweiten Mal ein regulärer Feiertag. Die Parlamente der vier Länder wollten damit ein Ungleichgewicht gegenüber den süddeutschen Ländern beseitigen, die zum Teil erheblich mehr Feiertage haben.
Source: Kirche-Oldenburg