Bremen (epd). Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma warnt vor wachsendem Nationalismus und Populismus in Europa und einer Wiederkehr antidemokratischer Bewegungen. «Sie bedrohen nicht nur die Rechte von Minderheiten, sie zielen auf das Herz unserer Demokratie», sagte der stellvertretende Vorsitzende Jacques Delfeld am Sonntag bei einem Gedenken im Bremer Rathaus an den «Auschwitz-Erlass» vor 75 Jahren. Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) sagte, Sinti und Roma seien heute wieder in besonderer Weise von Fremdenhass und Rassismus bedroht, vor allem in Osteuropa.
Delfeld rief zum Widerstand gegen rassistische Tendenzen auf. Er betonte, alle seien aufgerufen, «mit Leidenschaft und Augenmaß» die Errungenschaft der offenen und demokratischen Gesellschaft zu verteidigen.
Aufgrund von Heinrich Himmlers «Auschwitz-Erlass» vom 16. Dezember 1942 deportierte die Schutz-Staffel (SS) mehr als 23.000 Sinti und Roma familienweise aus elf Ländern Europas in das Vernichtungslager. Am 2. August 1944 ermordete die SS in den Gaskammern von Auschwitz die letzten 2.900 Angehörigen der Minderheit – Kinder, Mütter und Alte. Im besetzten Europa wurden den Angaben zufolge 500.000 Roma und Sinti Opfer des Holocaust. «Auschwitz steht für die Verbindung von menschenverachtender Ideologie und Barbarei, von kalter bürokratischer Logik und mörderischer Effizienz», sagte Delfeld.
Der Name Auschwitz sei zum Symbol geworden für den Völkermord an den Sinti und Roma im nationalsozialistisch besetzten Europa, ergänzte der Vertreter des Zentralrates. «Es gibt unter uns kaum eine Familie, die mit Auschwitz nicht den Verlust von Angehörigen verbindet.»
Sieling sagte, auch in der Nachkriegszeit sei Sinti und Roma das Leben massiv erschwert worden. «Die Überlebenden wurden von einem unwürdigen Lagerplatz zum nächsten verschoben. Und sie hatten große Schwierigkeiten, ein Mindestmaß an Entschädigung zu erreichen.» Unwissenheit und Vorurteile führten bis heute dazu, dass ihnen mit Angst und Aggression begegnet werde. «Wo kein Wissen ist, da ist Raum für Spekulation und Vorurteile», ermutigte er zu Begegnungen und Gesprächen.
Alleine aus Bremen und Bremerhaven wurden mindestens 275 Sinti und Roma über den Schlachthof der Hansestadt nach Auschwitz deportiert. In Bremen, Bremerhaven und Oldenburg erinnern heute Gedenktafeln an die Deportationen: in Bremerhaven am ehemaligen Polizeigefängnis, in Oldenburg am Ziegelhof, in Bremen am heutigen Kulturzentrum Schlachthof.
Bremens ehemaliger Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) hatte sich 1993 als Bundesratspräsident zusammen mit dem Zentralrat dafür eingesetzt, den 16. Dezember als festen Gedenktag für den Genozid an Sinti und Roma einzurichten. Sieling: «Mit tatkräftiger Hilfe von Heiner Geissler ist das auch gelungen. Seit 1994 ist der 16. Dezember der offizielle Gedenktag für den Völkermord an Sinti und Roma.»
Source: Kirche-Oldenburg