Hannover/Kiel/Hamburg (epd). Die Corona-Krise hat die Situation von Senioren, Pflegebedürftigen und Geringverdienern deutlich verschlechtert. Das belegen aktuelle Zahlen des Sozialverbands Deutschland (SoVD) in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein, die am Mittwoch digital vorgestellt wurden. «Die Beratung des SoVD ist gerade in diesen schwierigen Zeiten wichtiger denn je», betonten die drei SoVD-Landesvorsitzenden Bernhard Sackarendt (Niedersachsen), Alfred Bornhalm (Schleswig-Holstein) und Klaus Wicher (Hamburg). Im Corona-Jahr erstritten die drei Verbände, die die Interessen von 480.000 Mitgliedern vertreten, rund 53 Millionen Euro an einmaligen Nachzahlungen für Sozialleistungen.

So habe die Zahl der Anträge, Widersprüche und Klagen im Bereich Hartz IV bei den Sozialverbänden in Hamburg und Niedersachsen im Corona-Jahr um rund zehn Prozent zugenommen. «Viele Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Miete zu zahlen, weil sie ihren Job verloren haben oder in Kurzarbeit sind. Wir helfen ihnen dann dabei, Wohngeld zu beantragen», sagte Sackarendt. In dem Bereich seien die Verfahren in Niedersachsen um 53 Prozent gestiegen.

Für die finanziell schlechter gestellten Menschen in der Krise müsse mehr getan werden, etwa durch die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes, forderte auch Wicher. «Die Hartz IV-Empfänger bekommen in der Corona-Krise eine Einmalzahlung von 150 Euro. Das ist ein Witz.» Schließlich hätten viele Tafeln geschlossen und Preisvergleiche seien aufgrund geschlossener Geschäfte während der Lockdowns kaum möglich.

Auch Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen haben zunehmend finanzielle Schwierigkeiten, registriert der Verband. Er hilft Betroffenen, wenn diese ihre Heimkosten nicht mehr selbst zahlen können. Die Zahl der Verfahren ist im Corona-Jahr besonders in Schleswig-Holstein um die Hälfte gestiegen. «Hier muss die Politik dringend etwas tun», so Bornhalm. Im Durchschnitt beträgt der Eigenanteil an einem Platz im Pflegeheim zwischen 1.900 und 2.400 Euro monatlich. Die durchschnittliche Rente liegt aber nur bei 1.300 Euro pro Monat. «Die Pflegeversicherung muss wenigstens alle pflegebedingten Kosten übernehmen», sagte Sackarendt.

Viele Probleme zeigten sich auch im Bereich der häuslichen Pflege. Hier ist die Anzahl der Verfahren um durchschnittlich 45 Prozent gestiegen. Den Grund sieht der Sozialverband darin, dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen den Pflegebedürftigen aufgrund der Pandemie keine persönlichen Besuche mehr abstattet. Die Einstufung in einen Pflegegrad oder die Einschätzung, ob die Krankenkasse Pflegesach- oder Kombinationsleistungen unterstützt, erfolgt ausschließlich aufgrund von Telefonaten mit den Betroffenen. «Das Problem ist, dass viele Pflegebedürftige angesichts dieses geänderten Vorgehens verunsichert sind, weil sie nicht wissen, wie die Begutachtung abläuft oder weil sie Schwierigkeiten mit dem Telefonieren haben», berichtet der SoVD-Chef aus Niedersachsen. Der Sozialverband fordert deshalb, dass der Medizinische Dienst wieder mehr Präsenztermine wahrnimmt und die Angehörigen in den Gutachtenprozess mit einbindet.

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Sozialverband: Pandemie verschärft soziale Ungleichheit