Wir brauchen keine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, wie ein rechter Flügel lautstark meint. Wir brauchen eine Schärfung unseres kulturellen Gedächtnisses. Ich kann das jeden Tag mit eigenen Augen sehen. Friedhofsbesucher verweilen minutenlang vor der neu aufgestellten Informationstafel. Lesen interessiert, nachdenklich, betroffen, was da steht: Sandes Ev. Friedhof beherbergt das größte Gräberfeld für ausländische Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft im Landkreis Friesland. 

Während des 2. Weltkriegs lebten mehrere tausend zivile ausländische Zwangsarbeiter in und um das Lager Sande-Neufeld und Kriegsgefangene im Lager Mühle, die für den Ausbau des Kriegs- und Marinestandorts Wilhelms-haven schuften mussten. Nach einem Luftangriff wurden 16 Holländer und 2 Franzosen beigesetzt, andere starben an Mangelernährung und Misshandlung. Bis 1960 kamen Umbettungen dazu, so dass dort heute über 100 Menschen beerdigt liegen, die Hälfte aus Osteuropa.

Seit 20 Jahren haben sich Aktivisten dafür eingesetzt, dass den Opfern endlich ihre Namen zurückgegeben werden. Jetzt ist es endlich soweit. Auf vier Gedenkplatten steht ein Name nach dem anderen und mahnt uns eindringlich, aus der Geschichte zu lernen. Heute wird die Gedenkstätte als neu dazu gekommener Friesländischer Erinnerungsort der Öffentlichkeit mit Gebet und Segen übergeben. 

Christian Scheuer

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