Langeoog/Hildesheim (epd). Erstmals haben sich auf der Insel Langeoog sogenannte Verschickungskinder getroffen, die dort seit den 1950er Jahren eine mehrwöchige Kinderkur verbracht haben. Dabei sei es vor allem um die persönliche Aufarbeitung und um die Aufklärung gegangen, heißt es in einer Erklärung, die sie bei dem bis zum Sonntag dauernden Treffen verfasst haben. «Wir wollen Aufklärung, vornehmlich für uns selbst, aber wir wollen auch der Öffentlichkeit deutlich machen, was im Namen der Gesundheitsförderung für Kinder passieren konnte.» Anlässlich des Treffens bat am Sonnabend der Caritasvorstand der Diözese Hildesheim, Achim Eng, die Betroffenen um Entschuldigung für das ihnen zugefügte Leid.

 

Zwischen Ende der 1940er bis in die 1980er Jahre hinein wurden in ganz Deutschland Millionen Kinder vom zweiten Lebensjahr an in Kinderkurheime verschickt. Sie hatten oft gesundheitliche Probleme und sollten dort aufgepäppelt werden. Viele Kinder kehrten jedoch traumatisiert zurück. Sie berichteten von Essenszwang und gewalttätiger Fütterung durch das Pflegepersonal bis hin zum Erbrechen sowie von harten Strafen wie Schlafentzug oder Ans-Bett-Fesseln. Zu den häufigen Zielen zählten die nord- und ostfriesischen Inseln.

 

Seit einigen Jahren gibt es deutschlandweit die Verschickungskinder-Initiative, die durch die selber betroffene Anja Röhl ins Leben gerufen wurde. «Diese Initiative hat viele Betroffene und uns veranlasst, sich unseren Erinnerungen zu stellen», heißt es in der Erklärung des Treffens auf Langeoog, das von der Hamburger Journalistin Marina Friedt organisiert wurde. Sie war 1975 als Verschickungskind auf der Insel und hat unter dem Titel «Das Essen ist aus Schlamm gemacht » im Magazin Chrismon über ihre Erfahrungen berichtet.

 

«Wir Verschickungskinder haben das, was uns jeweils widerfahren ist, lange für ein zufälliges Einzelschicksal gehalten», schreiben sie. «Durch die Initiative ist mittlerweile deutlich geworden, dass es weit verbreitete Strukturen waren.» Auch, wenn der Blick auf Bedürfnisse und Nöte von Kindern in Deutschland mittlerweile ein anderer sei, dürfe nicht vergessen werden, wie es in vielen Kinderheimen gewesen sei, auch auf der «Kinder-Insel» Langeoog.

 

Caritasvorstand Eng sagte: «Statt Fürsorge und Verständnis haben viele der Kinder rüde Behandlung und Herzlosigkeit bis hin zu schwarzer Pädagogik erfahren.» Er könne den Betroffenen nicht die Last der Erinnerung nehmen, sondern nur um Verzeihung bitten. Als Träger der heutigen Mutter-Kind-Klinik auf Langeoog arbeite der Caritasverband im Bistum Hildesheim im bundesweiten Themennetzwerk Kinderverschickung mit, hieß es. Unter anderem gehe es dabei um die Unterstützung eines Forschungsprojekts der Deutschen Rentenversicherung zur Geschichte der «Kindererholungskuren» von 1945 bis 1989.

 

Auf Langeoog wurden die Heime den Angaben zufolge seit 1946 vom Hilfswerk der freien Wohlfahrtsverbände Hannover e. V. betrieben. Dazu gehörten gehörten Arbeiterwohlfahrt, Rotes Kreuz, Diakonie und Caritas.

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Verschickungskinder: Leid in Kurheimen darf nicht vergessen werden