Hannover/Hamburg (epd). Nach dem Angriff auf einen jüdischen Studenten in Hamburg haben Vertreter des Landes Niedersachsen und der jüdischen Gemeinden mehr Schutz für Synagogen angemahnt. «An der Schraube der Sicherheitsmaßnahmen muss heftig gedreht werden», sagte der Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden, Michael Fürst, am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Antisemitismus-Beauftragte des Landes, Franz Rainer Enste, rief dazu auf, beim Schutz der Einrichtungen nicht nachzulassen: «Jüdisches Leben in Deutschland zu schützen, bleibt leider eine Daueraufgabe.» Sicherheitsbehörden und Gemeinden müssten gemeinsam beraten, ob und wie die Sicherheit jüdischer Einrichtungen weiter verbessert werden könne.

Vor einer Hamburger Synagoge war am Sonntag ein Mann angegriffen und mit einem Klappspaten schwer verletzt worden. Wie die Polizei mitteilte, wurde der 29 Jahre alte mutmaßliche Täter von Beamten des Objektschutzes festgenommen. Das 26-jährige Opfer konnte sich in Sicherheit bringen und wurde bis zum Eintreffen der Rettungskräfte von Passanten erstversorgt. Der Student wurde mit Kopfverletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert. Der Staatsschutz ermittelt wegen versuchten Mordes.

Fürst forderte, die Polizeipräsenz vor jüdischen Einrichtungen müsse deutlich sichtbar sein: «Es reicht nicht, wenn Polizeibeamte in ihrem Wagen sitzen und für potenzielle Täter nicht erkennbar sind.» Zugleich mahnte er mehr Prävention gegen Judenfeindlichkeit an: «Der Schutz beginnt mit Lernprozessen an der Schule.» Das Bedrohliche des Angriffs in Hamburg liege darin, dass es sich nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle am Jom Kippur vor rund einem Jahr offenbar um eine Wiederholungstat handele. Erneut sei ein Angreifer an einem hohen jüdischen Feiertag, dem Laubhüttenfest, zu einer gut besuchten Synagoge vorgedrungen.

Enste bezeichnete den rechtsextremistisch motivierten Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019 als «Weckruf für unsere Gesellschaft». Er habe ein «Warnsignal» dafür gesetzt, dass dem Antisemitismus in Deutschland Einhalt geboten werden müsse. Bei dem damaligen Attentat hatte ein schwer bewaffneter Rechtsextremist versucht, die Synagoge in Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Als ihm dies misslang, töte er eine Passantin und einen Imbissbesucher und verletzte mehrere Menschen teils sehr schwer.

Der Beauftragte gegen Antisemitismus betonte, es gelte alles zu tun, damit sich die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaften in Deutschland sicher und geborgen fühlten. «Das Judentum war und ein bedeutender Teil Deutschlands, das gute Miteinander der Religionen ist für unsere Gesellschaft elementar.» Jüdisch-deutsche Geschichte habe zur Blüte einer gemeinsamen Kultur geführt: «Zu einer Blüte, die öfter als einmal durch aggressiven Antisemitismus mutwillig zertreten wurde.» Dass es nach 1945 einen Neubeginn des jüdischen Leben gegeben habe und in den vergangenen 20 Jahren die jüdischen Gemeinden wieder deutlich gewachsen seien, sei ein «Grund zur großen Freude».

In der Hosentasche des mutmaßlichen Angreifers von Hamburg, eines Deutschen mit kasachischen Wurzeln, wurde laut Polizei ein Zettel mit einem handschriftlich gemalten Hakenkreuz gefunden. Der psychisch verwirrte Mann sei bislang polizeilich nicht in Erscheinung getreten. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus.

Source: Kirche-Oldenburg