Wie kann ich meinen Alltag so umstellen, dass ich dem Klima weniger schade? Das fragen sich die Teilnehmer beim «Klimafasten». Eine Pastorin und ihre Familie sind erstmals dabei, obwohl sie schon viel tun. Aber sie wollen noch besser werden.
Ostercappeln/Kr. Osnabrück (epd). Sie kaufen Gemüse beim Bio-Bauern, beziehen Ökostrom, meiden Plastik und fahren Bus. Pastorin Bettina Lorenz-Holthusen und ihre Familie in Ostercappeln bei Osnabrück haben kaum noch Potenzial für das «Klimafasten», so scheint es. Dennoch beteiligen sich alle Fünf an der Aktion vieler evangelischer Landeskirchen und katholischer Bistümer in Deutschland. In der Zeit zwischen Aschermittwoch (26. Februar) und Ostersonntag (12. April) wollen sie auf Dinge verzichten, die das Klima schädigen. «Wir können schon noch besser werden», meint die 45-Jährige. «Manchmal wird man aus Bequemlichkeit schludrig.»
Ihrem Mann Martin Lorenz (47) fällt gleich ein Beispiel ein. Am Vortag sei er nachmittags zur Dienstbesprechung mit dem Auto statt wie üblich mit dem Bus gefahren. «Weil ich dadurch eine Stunde kürzer unterwegs war», sagt der Gymnasiallehrer für Informatik und Mathematik und schließt die Wohnzimmertür, die der Besuch offengelassen hatte. «Ich achte sehr darauf, dass beheizte Räume möglichst geschlossen sind», erklärt er mit einem Augenzwinkern. Beim nächsten Mal will er wieder den Bus nehmen.
Das Ehepaar Lorenz sowie die Kinder Paula (17), Clara (13) und Jacob (12) üben sich nicht nur privat im Klimafasten. Auch die lutherische Paulus Gemeinde der Pastorin macht mit – gemeinsam mit den benachbarten Kirchengemeinden. Lorenz-Holthusen hat die Aktion mit einem Team geplant. In der ersten Woche veranstalten sie ein Klimaquiz zum ökologischen Fußabdruck. In der zweiten und dritten bieten sie Vorträge über Energie und das Retten von Lebensmitteln an, später geht es um Mobilität und faire IT-Technologie.
Experten der Klimafasten-Initiative bereiten jährlich Themen und Materialien vor. Die 2015 von der Landeskirche Westfalens gestartete Kampagne vergrößere sich stetig, sagt Projektkoordinatorin Maria Karnagel, Klimaschutzmanagerin in der hannoverschen Landeskirche. «Mittlerweile sind wir 15 Partner.» «Fridays For Future» habe der Aktion einen zusätzlichen Schub gegeben. Neben Kirchengemeinden und Konfirmandengruppen beteiligten sich nun sogar Schulen und Kommunen. Die Auflage der Begleitbroschüre habe erstmals 54.000 erreicht.
Darin fordern Irmgard Schwaetzer, Synodenpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland, und Karin Kortmann, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, eine «Ethik des Genug». Es gehe darum, «über das rechte Maß nachzudenken und es immer wieder einzuüben», schreiben sie in ihrem Grußwort.
Bei Familie Lorenz hat das Nachdenken schon vor Jahren eingesetzt. Seit langem nutzen sie den Zug für Urlaubsreisen. Zum Wandern liest der gebürtige Österreicher Lorenz entweder alte Faltkarten oder digitale Karten, die er zuvor runtergeladen hat. Zu Hause schränkt er das Streamen von Filmen und Musik ein – manchmal zum Missfallen von Tochter Paula. «Häufiges Streamen gleich größere Server gleich mehr Stromverbrauch», rechnet der Informatiker vor.
Mit Greta Thunberg und den letzten heißen Sommern hätten sie ihre Gewohnheiten noch intensiver auf den Prüfstand gestellt, sagt Bettina Lorenz-Holthusen. Eingekauft wird mit Brotbeutel, Dosen und Gemüsenetzen, Marmelade selbst gekocht. Es kommt weniger Fleisch auf den Teller. Statt Haarshampoo und Zahnpasta nutzen sie Seife und Kautabletten. «Die Kinder machen das ohne Murren mit», sagt die dreifache Mutter und ergänzt: «Alles eine Frage der Organisation – und darin bin ich ziemlich gut.»
Auch ihre Paulusgemeinde ist beim Klimaschutz ganz vorne dabei. Bei Veranstaltungen kommen nur noch Stofftischdecken und -servietten zum Einsatz. An Getränken werden Wasser aus dem Hahn und selbst gepresster Apfelsaft angeboten. Hinter dem Gemeindehaus wächst gerade eine Wildblumenwiese heran. Demnächst bekommen sie das Siegel «faire Gemeinde» verliehen. «Als Kirche sind wir aufgerufen, den Wohlstand, an den wir uns so gewöhnt haben, infrage zu stellen», findet Lorenz-Holthusen.
Manchmal gönnt sich aber auch ihre Familie eine Auszeit. «Am Freitagabend essen wir hin und wieder vor dem Fernseher Tiefkühlpizza oder Backcamembert», sagt Martin Lorenz und lächelt entschuldigend: «Das ist ein Ritual, das wir alle liebgewonnen haben.»
Source: Kirche-Oldenburg