Wer hätte eine solche Vielfalt vermutet? Auf den Grünflächen der Kirchengemeinde Wardenburg herrscht im wahrsten Sinne ein buntes Treiben. Dafür muss man aber manchmal etwas genauer hinschauen. Das war auch genau die Absicht der Umweltbeauftragten der oldenburgischen Kirche Andrea Feyen als sie das Seminar „Artenvielfalt auf kirchlichen Flächen“ mit der Diplom-Biologin Elisabeth Woesner vorbereitet hat. 
   
Um dem Artenschwund zu begegnen werden vielerorts mit großem Aufwand Blühwiesen angelegt, um Insekten und anderen Tieren Nahrung und Lebensraum zu bieten. „Das kann auf artenarmen Standorten eine gute Lösung sein. Aber wer hat schon so ein geschultes Auge, um einschätzen zu können, ob nicht doch bereits eine Vielfalt an Pflanzen und Tieren vor Ort ist?“ fragt Feyen. Um das herauszufinden haben sich Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Kirchengemeinden auf den Weg nach Wardenburg gemacht. Der Einstiegsvortrag Woesners über eine Vielzahl heimischer Pflanzen, die jeweils im Jahresverlauf ein gutes Nahrungsangebot für Insekten bieten, stieß gleich einen regen Austausch über die Erfahrungen in den jeweiligen Kirchengemeinden an. 
   
Bei der anschließenden Begehung einiger Flächen auf dem alten und neuen Friedhof, die auf den ersten Blick sehr schlicht und unscheinbar aussahen, gab es auf den zweiten Blick dann einige Überraschungen. Woesner, die als Expertin seit vielen Jahren für den Naturschutzbund (Nabu) tätig ist, zeigte die schönen Blattrosetten von Ferkelkraut und kleinem Habichtskraut. „Wenn einige Flächen nur alle vier bis sechs Wochen gemäht werden, blühen diese Kräuter im Spätsommer und Herbst und liefern damit auch noch spät im Jahr wertvolle Nahrung für Insekten“, erläuterte Woesner. Ein weiterer Blickfang war die blühende Rundblättrige Glockenblume, die bei uns auf mageren Böden heimisch ist. Aufgrund des trockenen Wetters war dort einige Zeit nicht gemäht worden, so konnten sich die schönen blau-violetten Blüten entfalten. 
   
Auf dem Neuen Friedhof hatte Woesner den Kleinen Feuerfalter gesichtet. Eine eher seltene Schmetterlingsart, deren Raupen am kleinen Sauerampfer fressen. Und tatsächlich wuchs in einem Bereich der Friedhofsfläche diese Pflanze sehr üppig. An solchen Beispielen werden die umfassenden ökologischen Zusammenhänge deutlich. „Wenn wir zugunsten eines „schönen“ Rasens andere Kräuter vernichten, vernichten wir gleichzeitig Futterpflanzen und Lebensräume für Lebewesen wie den Feuerfalter“, sagte Woesner Dass dies nicht sinnvoll und auch nicht nötig ist, darüber waren sich die Teilnehmer*innen einig und so diskutierten sie, wie Grünflächen mittels reduziertem Mähaufwand artenreich erhalten werden können. Regelmäßig gemähte Wegränder oder Gehbereiche können dabei sichtbar machen, dass der höhere Bewuchs dazwischen beabsichtigt ist. Eine Beschilderung kann zusätzliche Informationen liefern, damit auf Friedhöfen die Akzeptanz gesteigert wird. Die Kirchengemeinde Reekenfeld hat zum Beispiel ein Konzept für eine naturnahe Friedhofgestaltung erarbeitet, dies ist eine gute Basis für die Entwicklung der Flächen (weitere Infos dazu unter https://www.kirche-reekenfeld.de/friedhof/).
   
Ganz nebenbei erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch, dass der größere Teil der Wildbienenarten seine Nester in der Erde baut. Deshalb sind Wälle oder Abbruchkanten von Erdhaufen sehr wichtige Lebensräume, wie sich auf dem Neuen Friedhof anhand von kleinen Erdlöchern bestätigen ließ.
   
Zum Abschluss freuten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch über eine Überraschungstüte mit einigen Staudenpflanzen und Krokuszwiebeln für ein Kleinbiotop am Gemeindehaus. Ihr Fazit lautete: Der Austausch ist äußerst wertvoll und sollte fortgesetzt werden, um für die eigene Kirchengemeinde interessante Impulse und erprobte Verfahren mitnehmen zu können. Die Gruppe will sich vernetzen, dazu sind weitere Interessierte willkommen (Kontakt über umwelt@kirche-oldenburg.de).
   
Ein Beitrag von Andrea Feyen

Kirche-Oldenburg
Von Ferkelkraut und Feuerfalter