Die Kirche und das Dorf sind eng miteinander verbunden. „Das war schon immer so, ohne Kirche ging es nie“, weiß Wieland Rosenboom und erzählt wie es früher war, als er und seine Klassenkameraden im kleinen Ort Horumersiel (Landkreis Friesland) unterschiedlichen Kirchengemeinden zugeteilt waren, je nachdem ob sie nun Nordhorumersieler waren oder Südhorumersieler, eine Frage, über die ein Wasserlauf entschied. So lange, bis eine Gebietsreform damit Schluss machte.
Kirche und Dorf gehören aber immer noch eng zusammen, und das war ausschlaggebend für ein neues Format der Ökumenischen Sommerkirche Horumersiel-Schillig: „Von Land, Lüü un Kark – ein Dorfrundgang mit geistlichen Impulsen und geschichtlichen Einblicken in das Dorf Horumersiel“ heißt es im Programm. Die Sommerkirche bietet in dem Urlaubsort an der Küste von Juni bis September eine Vielzahl von Veranstaltungen, angefangen vom Bläsergottesdienst im Watt bis zu kleinen Andachten zu früher Stunde oder spätabends am Strand, von Konzerten und Buchvorstellungen bis zu kleinen Pilgertouren, bei denen die Kirchen des Wangerlands bei einer Radtour durch die wunderschöne Natur zu entdecken sind.
Und nun ein neues Format, denn neben Radfahren auf dem Deich, Schwimmen, Wattwandern und gemütlich-faul im Strandkorb liegen mit Buch und Tee wollen die Gäste meist noch mehr. Egal, ob sie von weither kommen oder nur ein paar Kilometer um die Ecke zu Hause sind, viele sind neugierig wie der Urlaubsort zu dem geworden ist, was er heute darstellt. Einer, der davon erzählen kann wie kein Zweiter ist Wieland Rosenboom. Darüber hinaus suchen Urlauber heute mehr denn je die Spiritualität, hat die örtliche Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde, Sabine Kullik beobachtet. Somit fasst im neuen Format eins ins andere.
Rosenboom ist gebürtiger Jeveraner, lebt seit Jahrzehnten in Horumersiel, arbeitet bei der Kommune und als Seenotretter und gilt als Original. Wenn er ins Erzählen kommt, dann gibt es kein Halten, er ist ein wandelndes Geschichts- und Geschichtenbuch. Mit leicht plattdeutschem Akzent, doch zumeist in Hochdeutsch (so verstehen ihn wenigstens alle) weiß er viel Historisches zu berichten und lässt Geschichte durch so manche Anekdote lebendig werden.
Treffpunkt für den Dorfrundgang ist das Paul-Gerhardt-Haus in Horumersiel. Bei der Premiere übernahm Urlauberpastor Matthias Gärtner aus dem hessischen Friedberg die geistlichen Impulse. Im Mittelpunkt stand der Namensgeber des Hauses, Paul Gerhardt, einer der wichtigsten Dichter von Kirchenliedern, außerdem die Entstehung des Gemeindehauses.
Und dann übernahm Wieland Rosenboom mit seinem enormen Wissensschatz und erklärte zum Beispiel woher die Goldstraße, die mitten durch den Ort verläuft, ihren Namen hat, dass in früheren Zeiten die Horumersieler nicht nur zu zwei unterschiedlichen Kirchengemeinden sondern auch zu zwei verschiedenen Landeskirchen gehörten und dass genau hier, auf dem großen Parkplatz vor wenigen hundert Jahren noch die Schiffe im große Hafen dümpelten. Unwillkürlich bekommt man ein Gefühl von nassen Füßen und schaut sich verwundert zu dem großen Hotel um, von dem Rosenboom berichtet, dass es zu den ältesten Gebäuden in Horumersiel gehört und früher im Deich stand – ein Haus, in dem es also schon längst vor dem offiziellen Anschluss ans öffentliche Wassernetz stets fließend Wasser gab, erklärt Rosenboom augenzwinkernd. Und wenn er beschreibt, wie in den Anfangsjahren des Tourismus die Holzhäuschen mit den Plumpsklos von Pferden an den Strand gezogen wurden, dann ist das Kopfkino perfekt.
Idylle für die einen, harte Arbeit für die anderen, dem einen wie dem anderen lauschen die Gäste gebannt. Die Stimmung mit dem Blick aufs Wasser, das neue Wissen aus alten Zeiten, das fasst Urlauberseelsorger Matthias Gärtner in Schlussworten mit geistlichem Hintergrund und einem Abendsegen zusammen. Eine gelungene Kombination aus Geschichte, Geschichten und geistlichen Impulsen.
Wer’s versäumt hat, kann das neue Format noch am Montag, 22. August, ab 17 Uhr erleben. Treffpunkt ist das Paul-Gerhardt-Haus, Goldstraße 8 in Horumersiel. Der Eintritt ist frei.
Ein Beitrag von Annette Kellin
Kirche-Oldenburg
Von Land, Lüü un Kark