Hannover/Lüneburg (epd). Weihnachtsgottesdienste im Stundentakt, auf der Straße, mit begehbarem Krippenspiel oder auf dem Trecker: Die Kirchengemeinden in Niedersachsen setzen an Heiligabend wegen der Corona-Pandemie erneut auf ungewohnte Formen. «Unsere Kirchen haben ein vielfältiges Angebot geschaffen, um möglichst viele Menschen an den Heiligabend-Gottesdiensten teilhaben zu lassen», sagt Hannovers evangelischer Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes. «Vor Ort, mit Einlasskontrolle, unter freiem Himmel oder digital.» Allein in der Landeshauptstadt werden an Heiligabend rund 400 Gottesdienste angeboten.
Wie schon vor einem Jahr müssen die landesweit mehr als 2.500 evangelischen und katholischen Gemeinden ihre Weihnachtsgottesdienste pandemiesicher gestalten. Als bislang einziges Bundesland hat Niedersachsen zwar eine «Weihnachtsruhe» mit verschärften Kontaktbeschränkungen vom 24. Dezember bis 2. Januar verordnet. Gottesdienste sind hiervon jedoch wegen der Religionsfreiheit ausgenommen. Nur die Landkreise Cloppenburg und Gifhorn haben die 3G-Regel für Gottesdienste angeordnet. So entscheiden die meisten Gemeinden selbst, unter welchen Bedingungen die Gottesdienste stattfinden: nach 2G, 2G-plus, 3G oder nur mit Abstandsgebot und Maskenpflicht.
Ein außergewöhnliches Format können Andachtsuchende etwa im Osten von Lüneburg erleben. Dort lädt die evangelische Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde an zwölf Orten zu Kurzgottesdiensten auf der Straße ein. Um dabei zu sein, müssen Anwohner nur Fenster und Türen öffnen. «Wir kommen mit der Fahrradrikscha, mit Trompeter und Lautsprecher. Wir lesen die Weihnachtsgeschichte, sprechen einen Segen und singen gemeinsam O du Fröhliche», sagt Diakonin Antje Stoffregen.
Zwei Gemeinden in der Nähe von Oldenburg bringen den Open-Air-Gottesdienst sogar mit dem Trecker zu den Menschen. In Großenkneten tourt Pastor Sven Evers mit einem Krippenspiel-Ensemble auf dem Traktor-Anhänger durch die Region. Auch in Stuhr bei Bremen bietet Pastor Robert Vetter wieder eine «Treckerweihnacht» an. Von der Veranda einer mobilen Waldhütte aus wird der Pastor kurze Gottesdienste an vier Orten feiern. «Die Erfahrung hat gezeigt, dass so auch viele Menschen, die zufällig in der Nähe sind, an der Andacht teilnehmen. Mancher Anwohner hat im letzten Jahr vom Wohnzimmer aus mitgefeiert», erzählt Vetter.
In Grasberg bei Worpswede sollen die Gottesdienstbesucher das Krippenspiel nicht nur anschauen, sondern begehen. Geplant ist ein Gottesdienst im Freien rund um die Grasberger Kirche mit mehreren Stationen, an denen Szenen aus der biblischen Weihnachtsgeschichte nachgestellt werden. So können die Besucher etwa die Volkszählung, die Herbergssuche von Maria und Josef und die Begegnung mit dem Engel aus nächster Nähe erleben.
In ihren Handlungsempfehlungen schreiben die evangelischen Landeskirchen ihren Gemeinden nicht vor, wie sie der Infektionsgefahr begegnen sollen. Nur Abstandsregeln und Maskenpflicht sind verbindlich vorgegeben. Dennoch werde die überwiegende Mehrheit der Gottesdienste, besonders innerhalb von Kirchengebäuden, unter 2G- oder 3G-Bedingungen stattfinden, sagt der Sprecher der Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen, Benjamin Simon-Hinkelmann. Neben vielen Freiluft-Gottesdiensten werde es auch ein breites Angebot von Online-Gottesdiensten geben. «Auch wer nicht getestet und nicht geimpft ist, kann an Heiligabend an Gottesdiensten teilnehmen», betont Simon-Hinkelmann.
Aufgrund der Abstandsregeln können in den Kirchen mitunter nur ein Drittel der Sitzplätze genutzt werden. Um die Platzvergabe und die Besucherregistrierung bei Gottesdiensten in Kirchen zu erleichtern, bitten viele Gemeinden um eine vorherige Anmeldung. Um möglichst vielen Kirchgängern gerecht zu werden, bietet etwa die Matthäuskirche in Hannover an Heiligabend von 12 bis 24 Uhr Gottesdienste im Stundentakt an. Darunter sind auch Krabbel-Gottesdienste für die Kleinsten oder Christvespern mit Stehgreif-Krippenspiel.
Wer lieber zu Hause bleiben möchte, für den werden zahlreiche Gottesdienste live oder für den späteren Abruf im Internet übertragen. Die Landeskirchen von Hannover und Braunschweig sowie die reformierte Kirche haben außerdem eigene Weihnachtsseiten im Internet erstellt, auf denen sie Gottesdiensttermine und andere Weihnachtsangebote bündeln. Die Landeskirche Hannover stellt auch ein kostenloses Liederheft für zu Hause zur Verfügung. Gebete und Andachten für draußen und zuhause bietet auch die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche auf ihrer Seite www.kirchenjahr-evangelisch.de.
Kirche-Oldenburg
Weihnachten per Traktor oder Fahrradrikscha – Kirchen setzen an Heiligabend auf kreative Gottesdienst-Formate