Lohne (epd). Das Caritas-Sozialwerk im niedersächsischen Lohne sieht im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Fleischfabriken «eklatante Mängel». Grundsätzlich sei die Initiative zwar zu begrüßen, der jetzige Entwurf lasse Arbeitnehmer aber weiter schutzlos, kritisierte am Freitag Heribert Mählmann, Vorstandsvorsitzender des Sozialwerkes. So gebe es dringenden Nachbesserungsbedarf bei der Verpflichtung zur digitalen Arbeitszeiterfassung. Die Caritas unterstützt seit 2018 Arbeitsmigranten mit Beratungsstellen für Werkarbeiter in Lohne und in Cloppenburg.
Nach massiven Corona-Ausbrüchen in Großschlachthöfen hatte die Bundesregierung am Mittwoch einen Gesetzentwurf beschlossen, der sogenannte Werkverträge und Leiharbeit verbietet, die in Fleischfabriken weit verbreitet sind. Vorgesehen sind außerdem mehr Kontrollen durch die Länder und eine digitale Arbeitszeiterfassung, damit die Unternehmen nicht den Mindestlohn unterlaufen.
Demnach sollen künftig Arbeitgeber verpflichtet sein, die tägliche Arbeitszeit elektronisch aufzuzeichnen und zu dokumentieren. Das gehe an der Problemstellung klar vorbei, mahnte der Berater und Jurist Josef Kleier. Es nütze den Arbeitnehmern gar nichts, wenn nur die Behörden Zugriff auf diese Daten hätten. Sie müssten auch den Arbeitnehmern mit ihrer monatlichen Lohnabrechnung zur Verfügung gestellt werden. Das gelte nicht nur in der Fleischindustrie, sondern generell für alle Beschäftigten, insbesondere in prekären Arbeitsverhältnissen mit Migrationshintergrund.
Kritisch sehen die Caritas-Berater auch die geplante Kontrolldichte in den Betrieben. Ab 2026 sollen jährlich mindestens fünf Prozent aller Betriebe kontrolliert werden. Ein Schwebezustand von fünf Jahren sei absolut inakzeptabel. Lob gab es für den Ansatz, für Verbesserungen in Gemeinschaftsunterkünften zu sorgen. Allerdings gebe es für Privatwohnungen weiter eine Grauzone.
Die Caritas-Berater listen eine Vielzahl von Verstößen auf, die ihnen von Werkarbeitern genannt werden. So gebe es rechtswidrige Kündigungen bei Krankheit, wissentlich falsch berechnete Löhne, unterschlagene Stunden und Tage bei gefälschten Arbeitszeitaufzeichnungen und keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dazu kämen fehlende Urlaubsabgeltung, Nichtauszahlung des letzten Monatslohnes bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Unterschlagung tariflicher Erschwerniszuschläge sowie rechtswidrige Lohnabzüge für überteuerte und schäbige Unterkünfte.
In der Fleischindustrie arbeiten rund 100.000 Beschäftigte. Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) arbeiten zwei Drittel bei Subunternehmen, die über Werkverträge als Dienstleister vor allem für die sechs größten, marktbeherrschenden Unternehmen tätig sind. In einzelnen Großschlachthöfen werden bis zu 150.000 Schweine pro Woche geschlachtet. Deutschland ist nach den USA und Brasilien der drittgrößte Fleischexporteur weltweit. Seit der Jahrtausendwende hat die Branche ihren Umsatz verdoppelt.
Source: Kirche-Oldenburg