Vor zehn Jahren glaubte die Politik noch, Deutschland sei «fertig gebaut». Der Wohnungsbau wurde nicht mehr gefördert, Sozialwohnungen gab es immer weniger. Damals gründete sich das «Verbändebündnis Wohnungsbau». Sein Ziel ist bezahlbarer Wohnraum.

Berlin/Hannover (epd). Die Bau- und Wohnungswirtschaft hat Union und SPD aufgefordert, im Falle einer Regierungsbildung alles zu tun, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Wohnungsmangel berge «sozialen Sprengstoff», warnte das «Verbändebündnis Wohnungsbau», dem auch der Deutsche Mieterbund angehört, am Donnerstag in Berlin.

Nach einer von dem Bündnis in Auftrag gegebenen Studie des Pestel-Instituts in Hannover und der «Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen» in Kiel werden Union und SPD im Fall einer Regierungsbildung ihr selbstgestecktes Ziel von 375.000 neu gebauten Wohnungen in diesem Jahr wohl nicht erreichen. Bei dem gegenwärtigen Tempo sei es auch wenig wahrscheinlich, dass in den nächsten vier Jahren insgesamt 1,5 Millionen neue Wohnungen entstehen, wie es Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag versprechen. Im vergangenen Jahr seien die Baugenehmigungen gegenüber 2016 sogar um zehn Prozent auf 340.000 gesunken.

Das Bündnis forderte einen nur für den Bau zuständigen Staatssekretär im zukünftigen Bundesministerium für Inneres, Bau und Heimat. Bund, Länder und Gemeinden müssten an einem Strang ziehen und die Länder ebensoviel Geld in den sozialen Wohnungsbau investieren wie sie vom Bund erhalten, forderte das Bündnis.

Der gegenwärtige Wohnungsbau gehe am Bedarf vorbei, schreiben die Autoren der Studie. In den Großstädten hätten 35 bis 50 Prozent aller Haushalte Anrecht auf eine Sozialwohnung. Aber nur sechs Prozent aller Mietwohnungen bundesweit und bis zu acht Prozent in den Ballungsräumen sind Sozialwohnungen. Der Studie zufolge können sich 17,7 Millionen Haushalte in Deutschland keine Miete von mehr als acht Euro pro Quadratmeter leisten, das ist ein Anteil von 65 Prozent aller Mieter-Haushalte. 7,5 Millionen Haushalte bräuchten eine Sozialwohnung.

Derzeit gibt es noch rund 1,3 Millionen Sozialwohnungen. Von 2010 bis 2015 sind bundesweit weniger als 20.000 neue Sozialwohnungen jährlich gebaut worden, obwohl jedes Jahr rund 100.000 Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen. Erst seit 2016 werden wieder mehr als 20.000 Sozialwohnungen pro Jahr fertig.

Jährlich müssten insgesamt 400.000 neue Wohnungen entstehen. In den Jahren 2015 und 2016 wurden der Verbände-Studie zufolge durchschnittlich aber nur je 260.000 Wohnungen fertiggestellt. Zusätzlich würden mindestens 80.000 Sozialwohnungen und weitere
60.000 bezahlbare Wohnungen in den Ballungsräumen gebraucht.

Das Verbändebündnis fordert eine dauerhafte Förderung des Sozialwohnungsbaus durch den Bund. Studienautor Dietmar Walberg von der «Arbeitgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen» in Kiel sagte, der Mietwohnungsbau habe sich seit dem Jahr 2000 um 55 Prozent verteuert, doppelt so stark wie die Lebenshaltungskosten. Ohne die Unterstützung des Bundes seien die Länder nicht in der Lage, den Sozialwohnungsbau ausreichend zu fördern. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist eine Förderung zunächst bis 2021 vorgesehen.

Bundesweit fehlt den Angaben zufolge insgesamt eine Million Wohnungen. Mangel herrscht nicht nur in den Ballungsgebieten, sondern auch in 138 Landkreisen und kreisfreien Städten. Das Verbändebündnis Wohnen hatte die Studie zum diesjährigen 10. Wohnungsbau-Tag in Berlin in Kiel in Auftrag gegeben. Im Zentrum des Wohnungsbau-Tages, zu dem auch die geschäftsführende Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) erwartet wurde, stand der Wohnungsmangel.
Source: Kirche-Oldenburg