Das Coronavirus hat das öffentliche Leben zum Erliegen gebracht. Für die Kirchen gilt sogar ein Gottesdienstverbot. Doch die Pastorinnen und Pastoren finden neue Wege, um den Menschen in ihren Gemeinden in dieser ungewöhnlichen Zeit beizustehen.
Emden/Oldenburg (epd). Das Telefon von Pastorin Steffi Sander im ostfriesischen Hinte steht nicht mehr still. Menschen wollen wissen, ob trotz Corona noch Taufen möglich sind, ob die Konfirmation wie geplant gefeiert werden kann oder ob denn am Sonntag der Gottesdienst wie gewohnt stattfindet. «Von wegen, alles kommt zum Stillstand! Bei uns läuft alles im Krisenmodus und auf Hochtouren», sagt die evangelisch-reformierte Theologin und weist auf einen angefangenen Brief auf ihrem Monitor an ihre Konfirmanden und deren Eltern. «Ich muss schweren Herzens die Konfirmation auf unbekannte Zeit verschieben.»
Sander will den Kontakt zu den Menschen ihrer Gemeinde aufrechterhalten – auch wenn alle Gottesdienste wegen der Infektionsgefahr von den Behörden verboten sind. Trotz des Verbots will sie mit ihrer Gemeinde gemeinsam Gottesdienst feiern: «Und zwar am Küchentisch.» An alle rund 2.000 Haushalte hat sie einen Brief verteilt. Wenn am Sonntag um 10 Uhr die Glocken läuten, sollen die Menschen zu Hause eine Kerze entzünden. «In meinem Brief steht eine kleine Liturgie mit Gebeten, einem Psalm und einem geistlichen Impuls. So können wir im Geiste verbunden gemeinsam feiern.»
Ihr Braunschweiger Kollege Pastor Werner Busch hat seinen Schreibtisch unterdessen in das Gemeindehaus der St. Katharinengemeinde verlegt. «Das Telefon ist jetzt mein wichtigstes Kommunikationsmittel», sagt er. Er verbringt so viel Zeit wie möglich dort, um erreichbar zu sein. Denn bei aller digitalen Aktivität der Kirchen steht für ihn fest: «Es gibt Dinge, die man nicht ins Internet verlegen kann.» Ihm bereiten derzeit vor allem die Trauerfeiern und Beerdigungen Kopfschmerzen.
Denn derzeit entscheiden die Landkreise, wie viele Trauernde einen verstorbenen Menschen auf seinem letzten Weg zum Grab begleiten dürfen. Generell dürfen Trauerfeiern nur noch unter freiem Himmel stattfinden. Mancherorts sind dazu nur sechs Personen zugelassen – inklusive Pastor. Für Busch wird damit eine Grenze der Mitmenschlichkeit überschritten. «Eine Trauerfeier ist nicht verschiebbar.» Der Pastor appelliert deshalb an die Kirchenleitungen, mit den staatlichen Behörden bei aller gebotenen Vorsicht einen verantwortbaren Rahmen zu schaffen.
In Hannovers Südstadtgemeinde glühen ebenfalls die Telefondrähte. Pastorin Anke Merscher-Schüler schreibt gerade das Gemeindemagazin um, das ab Freitag ausliegen soll. «Wir können im Moment nur reagieren», klagt sie. Sechs Taufen hat sie schon absagen und mehreren Brautpaaren erklären müssen, dass sie ihre Trauung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben müssen.
Zudem muss die Pastorin Absprachen mit dem Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen (ekn) treffen. Eine Andacht soll in der leeren Pauluskirche aufgezeichnet werden, die dann am Sonntag für alle Menschen im Internet unter www.landeskirche-hannover.de abgerufen werden kann. Am Telefon habe sie den Eindruck gewonnen, dass die Menschen zwar besonnen mit der ungewohnten Situation umgehen, aber auf mutmachende Worte ihrer Kirche nicht verzichten wollen, sagt die Pastorin.
«Als ich vom Gottesdienstverbot gehört habe, habe ich erst mal gedacht, jetzt kommt eine ruhige Zeit auf dich zu», sagt der Bremer Pastor Benedikt Rogge und lacht auf. «Aber genau das Gegenteil ist der Fall.» Auch in der St.-Ansgarii-Gemeinde versuche das Team, mit der Gemeinde Kontakt zu halten. Ein Youtube-Kanal ist bereits für Andachten eingerichtet. Außerdem könnten die Menschen Nachrichten mit Gebetsanliegen an das Seelsorgeteam schicken. «Jeden Mittwoch um 17 Uhr feiern wir mit zwei oder drei Hauptamtlichen in der Kirche trotz Corona einen kurzen Gottesdienst. Dabei nehmen wir die Gebetsanliegen mit in die Fürbitte auf.»
Der oldenburgische Bischof Thomas Adomeit versucht derweil nach besten Kräften seinen Pastorinnen und Pastoren den Rücken zu stärken. «Ich schreibe jeden Tag den Brüder und Schwestern eine E-Mail mit einem geistlichen Impuls und neuen Handlungsempfehlungen.» Denn die Anordnungen der staatlichen Behörden änderten sich oft stündlich. Das Coronoavirus habe den Alltag völlig ausgebremst. «Was bisher üblich war, muss nun neu erfunden werden.» Er sei begeistert von den vielen kreativen Ideen und dem Vertrauen in den Gemeinden, die Krise zu schultern, sagt der «Pastor der Pastoren». «Wir müssen und wir werden unseren seelsorgerlichen Auftrag erfüllen und die Menschen gut durch diese Zeit zu begleiten.»
Source: Kirche-Oldenburg