Wer einen Deich in der Ferne sieht, den packt der innere Drang, auch entdecken zu wollen, was dahinter liegt. Deiche üben eine fast magische Anziehungskraft aus. Wenigstens ein kurzer Stopp. Treppe rauf. Und eben sehen, was Sache ist. Und nun dies. Ein Deich, der keiner ist. Eher eine optische Täuschung. Denn vom Meer weit und breit keine Spur. Wiesen und Windräder. Ein Wall, der die Landschaft trennt wie ein Hügel. Der alte Polderdeich in Dangast ist seit einem halben Jahrhundert außer Kraft. Die Deichlinie ist längst weiter vorgerückt. Der Polderdeich ein Relikt der Geschichte. Mitten im Land gibt er einen anderen Blick frei auf Gottes Schöpfung und die von den Menschen gemachte Küste. Dieser Ort zeigt mir: Nicht jede Enttäuschung gleicht einer bösen Überraschung. Unsere Erwartungen werden im Leben zwar nicht immer erfüllt. Aber es kann dennoch schön werden. Unser Leben spielt zwischen Traum und Täuschung. Doch bei allem Wechselspiel gründet unser Sein in der Gewissheit des 121. Psalms: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“ Am nächsten Deich werde ich wieder halten, um genau dies zu spüren.

 

Tom Brok

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