Der Sterben eines Menschen kann sich manchmal über Wochen und Monate, manchmal sogar Jahre hinziehen. Wenn ein Mensch langsam stirbt, beginnt auch der Abschied bereits zu Lebzeiten. Wenn der Tod plötzlich kommt, kann die Zeit des Abschiednehmens erst danach beginnen. Dazu gehört auch das Loslassen. Seit dem Tod meiner Mutter vor rund drei Monaten ziehen immer wieder Bilder vor meinem inneren Auge vorbei. Dazu gehören Bilder aus dem Gartencenter, in dem wir noch im Frühjahr neue Pflanzen für ihren winzigen Garten ausgesucht haben, ebenso wie Gespräche am Küchentisch. Die Bilder der jüngeren Zeit liegen oben auf, die alten Bilder aus der Zeit bis hinein in die eigene Kindheit brauchen länger. Das Blättern in alten Dokumenten und Fotoalben hilft, die Erinnerungen wachzurufen. Vom deutschen Schriftsteller Jean Paul stammt der Satz: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“ Irgendwie tröstlich, dass unsere Mutter uns so ein Paradies hinterlassen hat.

 

 

Rüdiger Schaarschmidt

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