Bremen/Hannover (epd). Die überwiegende Mehrheit der Bundesländer hält an den Einschränkungen für Abschiebungen nach Afghanistan fest. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Innenministerien der Länder ergab, werden weiterhin nur oder vorrangig Gefährder und Straftäter abgeschoben. Nur Bayern gibt an, grundsätzlich alle ausreisepflichtigen Afghanen abzuschieben. Die Bundesregierung hatte die Einschränkungen eigentlich Anfang Juni aufgehoben. Abschiebungen fallen aber in die Zuständigkeit der Länder. Dort wird über die einzelnen Fälle entschieden.

Deutschland schickt seit Ende 2016 abgelehnte Asylbewerber wieder nach Afghanistan zurück. Nach einer Verschlechterung der Sicherheitslage und einem Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul wurden die Abschiebungen im Sommer 2017 auf Gefährder, Straftäter und sogenannte Identitätstäuscher beschränkt. Anfang Juni beriet das Bundeskabinett über den neuen Lagebericht des Auswärtigen Amts zu Afghanistan. Er schildert zwar nach wie vor eine «volatile» Sicherheitslage. Dennoch hob die Bundesregierung die Einschränkungen für Abschiebungen auf.

Ohne Einschränkungen schiebt derzeit aber nur Bayern Afghanen ab. Die bayerischen Ausländerbehörden seien verpflichtet, vollziehbar ausreisepflichtige Afghanen abzuschieben, hieß es aus dem Innenministerium in München. Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein prüfen derzeit, wie sie mit der neuen Leitlinie für Abschiebungen umgehen wollen. Sieben Bundesländer beschränken Abschiebungen auf Gefährder und Straftäter. Dazu gehören auch Bremen und Niedersachsen. Die Innenressorts begründen diese Praxis mit der unklaren beziehungsweise «volatilen» Sicherheitslage am Hindukusch. Deshalb sei auch nicht geplant, von diesem Vorgehen abzuweichen.

In diesem Jahr gab es nach Angaben des Bundesinnenministeriums bislang sechs Sammelabschiebungen mit insgesamt 148 Afghanen. 226 Afghanen reisten darüber hinaus im ersten Halbjahr im Zuge einer geförderten Rückkehr aus. Insgesamt wurden bis Ende Juni laut vorläufigen Zahlen des Innenministeriums mehr als 12.000 Menschen aus Deutschland abgeschoben, knapp 9.000 sind von allein ausgereist.

Die meisten Länder beteiligten sich bis Ende Juli jeweils mit einer Zahl im einstelligen Bereich an Sammelabschiebungen nach Afghanistan. Vier Länder beteiligten sich in diesem Jahr gar nicht an den von Bund organisierten Abschiebeflügen: Niedersachsen, Bremen, Brandenburg und das Saarland.

Bremens Innensenator Urich Mäurer (SPD) setzt weiter auf freiwillige Ausreisen, von denen es den Angaben zufolge im vergangenen Jahr sechs gegeben hat. Bei Abschiebungen müsse im Einzelfall beurteilt werden, wie die Sicherheitslage in der Region aussehe, in die eine Rückkehr beabsichtigt sei, hieß es. Diese Einschätzung sei für die Ausländerbehörde «eine kaum lösbare hohe Herausforderung». Die Frage der Abschiebung von Straftätern und Gefährdern, auch nach Afghanistan, sei immer im Einzelfall zu entscheiden, hieß es. «Ein Abschiebestopp wird insofern schon aufgrund der Signalwirkung nicht favorisiert.»

Source: Kirche-Oldenburg