Hannover/Göttingen (epd). In Niedersachsen waren 2021 nach Angaben des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes mehr Menschen arm als zunächst angenommen. Von Armut betroffen waren demnach nicht 17,9 Prozent, sondern 18,3 Prozent, wie der niedersächsische Landesverband am Freitag unter Berufung auf eine Korrektur des Statistischen Bundesamtes in Hannover mitteilte. Dies entspreche 1,47 Millionen Menschen. Damit hatte sich der Trend zu mehr Armut 2021 erneut fortgesetzt. Sozialverbände schlugen Alarm und forderten die Politik auf, zügig zu reagieren.

 

Im ersten Pandemiejahr 2020 lag die Armutsquote in Niedersachsen den Angaben zufolge bei 17,6 Prozent. Die Armutsquote stieg in Niedersachsen gegenüber dem Vorjahr somit im Endeffekt um 0,7 Prozentpunkte. Der endgültigen Statistik zufolge war auch die bundesweite Armutsquote mit 16,9 Prozent höher als zunächst angenommen. 2006 hatte sie noch bei 14 Prozent gelegen.

 

«Eine nachhaltige Bekämpfung von Armut findet in Deutschland nach wie vor nicht statt», kritisierte die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Niedersachsen, Kerstin Tack. Traurige Rekordmarken seien auch mit Blick auf die Armut unter Kindern und Jugendlichen sowie bei älteren Menschen zu verzeichnen. Scharfe Kritik an der Sozialpolitik von Land und Bund übten auch die Landesarmutskonferenz und der Sozialverband Deutschland in Niedersachsen.

 

Die Sozialverbände forderten schnelle Maßnahmen wie die Einführung einer auskömmlichen Kindergrundsicherung, die Anhebung des Renten-Niveaus sowie die Einführung armutsfester Löhne. Die Landesarmutskonferenz forderte zudem höhere Regelsätze für Bürgergeld und Grundsicherung sowie eine «Vermögenssteuer für Superreiche, um sie an der angemessenen Finanzierung unseres Gemeinwesens zu beteiligen».

 

Nach Angaben des Paritätischen in Niedersachsen fällt die Armutsbetroffenheit in dem Bundesland regional sehr unterschiedlich aus. Das Umland von Hannover bleibe mit 15,1 Prozent deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Dagegen lägen die Region Ostfriesland mit 21,1 Prozent und die Landkreise Goslar, Osterode am Harz, Göttingen und Northeim mit je 21,2 Prozent weit darüber. Trauriger Spitzenreiter sei die Landeshauptstadt Hannover mit 22,9 Prozent.

 

Das Statistische Bundesamt konnte im vergangenen Jahr nur vorläufige Zahlen für 2021 vorlegen, wie es hieß. Als armutsgefährdet gilt eine Person, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung auskommen muss.

Kirche-Oldenburg
Armut in Niedersachsen wächst schneller als zunächst angenommen – Sozialverbände fordern rigide Maßnahmen gegen die wachsende Not