Auf Spurensuche zu theologischen Fragestellungen haben sich Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schulen im Oldenburger Land gemacht. Im Rahmen des Wettbewerbs „Spurenelemente 17/18“ fand am Dienstagabend, 30. Oktober, die Preisverleihung im Lambertisaal der Oldenburger Lambertikirche statt. Aus den eingereichten Facharbeiten zu theologischen Fragestellungen hat eine Jury vier Preisträgerinnen und Preisträger ermittelt. Zusätzlich zu den ersten drei Preisen wurde noch ein Sonderpreis vergeben. Erstmals war ein solcher Wettbewerb für Schülerinnen und Schüler in der Region von der Nachwuchsförderung der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg ausgeschrieben worden.

Die vier Preisträgerinnen und Preisträger wurden am Dienstagabend in einer kleinen Feierstunde geehrt. Die Wahl sei insgesamt schwer gefallen, wie Oberkirchenrätin Annette-Christine Lenk in ihrer Ansprache betonte. Zur Jury des Wettbewerbs, die die eingereichten Arbeiten zu beurteilen hatte, gehörten: Pfarrerin Kerstin Hochartz (Leiterin der Arbeitsstelle für Religionspädagogik), Pfarrer Nico Szameitat (Referent für Theologische Grundsatzfragen und Gottesdienst) und Pfarrer Hartmut Lübben (Nachwuchsförderung der oldenburgischen Kirche).

In ihren einleitenden Worten war Oberkirchenrätin Lenk auf die Spurensuche im Allgemeinen eingegangen – die Spurensuche in der Sprache, in der Geschichte, im literarisch-theologischen Exkurs: „Meine These ist, dass jeder Mensch das ganze Leben auf der Suche ist – der Suche nach Verwirklichung, der großen Liebe oder der Suche nach Antworten auf Fragen, die sich einem gewollt oder ungewollt stellen. Wer die Suche einstellt, hat aufgehört zu leben!“

Immer wieder suchte Lenk dabei den Bezug zur Gegenwart: „Unsere Sprache ist menschenverachtender geworden. Menschen, die bereit sind, Verantwortung für unser Land nde Arbeitenzu übernehmen, werden in einer Sprache diffamiert, die jeden Respekt vermissen lässt. Mit Sprache werden Feindbilder geschaffen.“ Und die Themen der Facharbeiten waren nicht eben typisch für das, mit dem sich Jugendliche normalerweise beschäftigen. Da wurde sich mit der ersten Baptistengemeinde in Deutschland ebenso auseinandergesetzt wie mit Auswanderung der Pilgerväter oder der Reformation in England.

Überzeugende Facharbeiten
Letztendlich überzeugte die Jury die Arbeit von Frederik Ohlenbusch, der sich mit dem christlichen Sozialismus von Leonhard Ragaz und seiner Bibelinterpretation am Beispiel der Gleichnisse Jesu auseinandersetzte. Ohlenbusch hat im Sommer sein Abitur bestanden und studiert jetzt Ev. Theologie in Münster. „Sie haben es vollbracht, in ihrer zwölfseitigen Arbeit gleich zwei große Systeme zu beschreiben: die Theologie und den Sozialismus“, lobte Laudator Hartmut Lübben. „Wir haben beim Lesen einfach ihre Lust, ihre Neugier gespürt und im Übrigen eine Menge über Leonhard Ragaz gelernt.“ Dotiert ist der erste Preis mit 300 Euro.

Der zweite Preis (200 Euro) ging an Annika Niewald vom Gymnasium Antonianum Vechta, die sich unter dem Thema „Zwischen Kreuz und Ährenkranz“ mit der Kirche in der DDR beschäftigte. Die Laudatio hielt diesmal Annette-Christine Lenk selbst, die nach eigenen Angaben 29 Jahre ihres Lebens selbst in der DDR gelebt hat – erst als Pfarrerstochter, später selbst als Pfarrerin: „Mit großem Interesse habe ich daher die Arbeit von Annika Niewald gelesen. Kirchen müssen in Diktaturen, um sich behaupten zu können, ihren gesellschafspolitischen Ort selbst genau bestimmen. Dieser blieb in der DDR stets umstritten, was ambivalente Erscheinungsbilder der evangelischen Kirche auch erklärt“, so Lenk weiter. Die Einmischungsversuche der SED seien vielfältig, hinterhältig und subtil gewesen. Und doch hätten „Christinnen und Christen in der DDR ihrem Glauben ihr Gesicht verliehen und ihr Leben vom Glauben bestimmen lassen.“

Der dritte Preis (100 Euro) ging an Miriam Rüther vom Oldenburger Graf-Anton-Günther-Gymnasium. Sie hatte sich mit Luther und der Musik der Reformationszeit beschäftigt. Laudator Nico Szameitat lobte den „souveränen Balanceakt durch so viele Fächer“: „Dass die Verfasserin so souverän zwischen den Fächern wechselt, der Geschichte, Religion und Musik, ist wohl das herausragendste Merkmal. Diese Arbeit ist im wahrsten Sinne des Wortes interdisziplinär.“

Einen Sonderpreis gab es für Wiebke Uebachs vom Gymnasium Brake, die anhand konkreter Beispiele die Kindheit und Jugend zur Zeit des Nationalsozialismus in der Gemeinde Ovelgönne beleuchtete. Zwar war diese Facharbeit nicht im Fach Religion, sondern Geschichte entstanden: „Doch enthält sie tatsächlich gleichsam mikroskopisch kleine Spurenelemente an Theologie, Kirche, Glaube, Gott“, betont Laudatorin Kerstin Hochartz. „Kirche, Religion, Gott spielen dabei immer wieder eine Rolle: Wenn Mitglieder der NSDAP auch Mitglieder im Kirchenrat sind“, erläutert die Religionspädagogin. Wiebke Uebachs hatte für ihre Arbeit Zeitzeugen befragt und war auf viel Offenheit gestoßen. „Ich habe die Arbeit mit viel Gewinn gelesen“, so Kerstin Hochartz.

Ziel des Wettbewerbs war die Ermutigung zur Wahrnehmung und Reflexion theologischer Fragestellungen über die Grenze des Faches Evangelische Religion hinaus. Spurenelemente: Gedanken, Fragestellungen, Anmerkungen oder auch Einsichten, die nur in geringer Konzentration vorkommen und deren Spuren nur bei genauem Hinsehen zu entdecken sind.

„Nicht selten kommen theologische Fragestellungen als so ein ‚Spurenelement’ in den unterschiedlichsten Lebensbereichen vor: in der populären Musik, in der Malerei, in der Literatur. Sie können den kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Diskurs begleiten und sogar prägen, ohne dabei selbst zu Tage zu treten. Theologische Fragen und Perspektiven wirken nicht selten latent: Sie sind da, aber treten nicht auf den ersten Blick in Erscheinung“, so Initiator Pfarrer Hartmut Lübben, der in der oldenburgischen Kirche für die Nachwuchsförderung verantwortlich ist.

Für Lübben war der Wettbewerb ein Erfolg. Gleichwohl sieht er große Probleme auf die Kirchen zukommen: „Ähnlich wie in anderen Berufen hat auch die Kirche mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Und auch bei uns werden in den kommenden Jahren zahlreiche Pfarrer fehlen“, befürchtet er. Das habe mit dem demografischen Wandel einerseits, aber auch mit gesellschaftlichen Fragestellungen zu tun, beispielsweise welchen Stellenwert die Kirche hat. Frömmigkeit oder eine christliche Erziehung sei übrigens weder Voraussetzung noch Normalität bei der Wahl eines Theologiestudiums. „Die meisten Studierenden wählen das Studium, weil sie sich mit religiösen Themen auseinandersetzen möchten.“

Wer sich für den Beruf interessiert, findet weitere Informationen unter: www.kirchliche-berufe-oldenburg.de

Pfarrer Hartmut Lübben ist auch unter Telefon 0441/7701134 oder per Email unter hartmut.luebben@kirche-oldenburg.de für etwaige Fragen erreichbar.

Musikalisch wurde der Abend von Popkantor Steffen Schöps & Verstärkung gestaltet.

Themen der eingereichten Facharbeiten:
•    Wer diese Kunst kann, der ist von guter Art’: Luther und die Musik der Reformationszeit. Recherchen und Untersuchungen (Graf-Anton-Günther-Schule Oldenburg)
•    Zwischen Kreuz und Ährenkranz. Die Kirche in der DDR (Gymnasium Antonianum Vechta)
•    Kindheit und Jugend zur Zeit des Nationalsozialismus in der Gemeinde Ovelgönne (Gymnasiums Brake)
•    Der christliche Sozialismus von Leonhard Ragas und seine Bibelinterpretation am Beispiel der Gleichnisse Jesu (KGS Rastede)
•    „Non omnis moriar“ – Ich sterbe nie ganz. [zu: Bruno Frank, Chamfort erzählt seinen Tod] (Zinzendorfschule Tossens)
•    Protestantismus und Bildung (Zinzendorfschule Tossens)
•    Johann Gerhard Oncken, der Gründer der ersten deutschen Baptistengemeinde (Zinzendorfschule Tossens)
•    Die Reformation in England (Zinzendorfschule Tossens)
•    Auswanderung um des Glaubens willen am Beispiel der Pilgerväter (Zinzendorfschule Tossens)

Source: Kirche-Oldenburg