Die Kanzel der St.-Hippolyt-Kirche in Blexen/Nordenham im Kirchenkreis Wesermarsch erstrahlt nach ihrer rund sechsmonatigen Renovierung in neuem Glanz, der inhaltlich auf das Jahr 1852 zurückgeht. In jenem Jahr erhielt der Predigtstuhl eine dem Zeitgeist des Klassizismus geschuldete Überarbeitung mit intensiverer Farbgebung und Imitationen wertvoller Materialien.

Restaurator Uwe Pleninger aus Hannover hat sich im Sommer 2015 intensiv mit dem Werk aus der Werkstatt Münstermanns auseinandergesetzt und mit unendlicher Geduld und einem guten Gespür für die Handschrift des Holzschnitzers den hölzernen Predigtstuhl gesäubert, ausgebessert, lackiert und ummontiert. Mit Münstermann-Werken kennt sich der Kunsthandwerker bestens aus, denn auch in der St.-Matthäus-Kirche in Rodenkirchen/Stadland hat er vor drei Jahren den dortigen Münstermann-Altar fachlich hervorragend restauriert.

Mit einem Festgottesdienst wurde am Sonntag, 29. November, das historisch wertvolle Kunstwerk in der St.-Hippolyt-Kirche quasi neu in Betrieb genommen. Als erster durfte Bischof Jan Janssen die frisch restaurierte Kanzel in Gebrauch nehmen. In seiner Predigt (zu Markus 1,1-8, Johannes der Täufer geht in die Wüste) stellte Bischof Janssen die Frage nach dem Anfang aller Predigten und aller Prediger, welcher Johannes der Täufer war. Somit erzähle die Kanzel etwas über Johannes und die vier Evangelisten Markus, Lukas, Matthäus und Johannes, deren Worte in der Bibel niedergeschrieben sind. Von der Kanzel in Blexen werde seit nahezu 380 Jahren ebenfalls die Stimme des Predigers und der Predigerin vernommen, die nun zu einem großen Chor beitrügen. „Die Figurenreihe der Kanzel erzählt von Johannes. Und die Kunstgeschichte erzählt von Johann“, so Janssen weiter.

Ursprünglich ging der Auftrag zum Bau der Kanzel im Jahr 1638 an den alten Schnitzmeister Ludwig Münstermann aus Hamburg, der wohl noch vor seinem Tod im selben Jahr die Vorzeichnungen und die Konzeption erstellt hat. Das theologische Programm wurde von dem damaligen Pastor Gerhardus Hanneken erarbeitet und in Auftrag gegeben. Nach dem Tod seines Vaters führte Johann Münstermann die Arbeiten weiter und hat sich konsequenterweise auch mit seinen Initialen und seinem Zunftzeichen in einer Engelsfigur mittig unter dem Kanzelkorb verewigt. „Wer weiß, ob damit nicht der junge Meister Münstermann gleich am Anfang seiner neuen Verantwortung auch seinen ganz persönlichen Bezug zum Glauben festgehalten hat?“, so Bischof Janssen.

Das Äußere von Johannes dem Täufer, der mit Kamelhaargewand und ledernem Gürtel daherkam und Heuschrecken und wilden Honig aß, würde man heute wohl gutheißen angesichts der Regionalität der Produkte, vermutete Janssen und entlockte den Zuhörenden im Kirchenschiff damit ein amüsiertes Schmunzeln. Doch seine Worte klängen eindringlich über Zeit und Raum hinweg nach, aus der Wüste bis in die Wesermarsch hinein. Bischof Janssen richtete während der Predigt auch seinen Blick nach oben, wo im Kanzelkopf zentral eine weiße Taube über dem Kopf des Predigers schwebt. Die Verkünderin der Friedenshoffnung flattere auch heute noch über jedem Predigtversuch.

Der Kirchengemeinde Blexen dankte Bischof Janssen für das Engagement und den unermüdlichen Einsatz über Jahre, um das Großprojekt Kanzelrenovierung endlich durchführen zu können. „Das alles zeigt: Nicht nur Münstermanns Figuren, auch das Helfen und Mitwirken in der Gemeinde hat Hand und Fuß!“ Und weiter: „Nehmen wir sie wieder in den Dienst für das Wort Gottes, wie es ihre Umschrift hier aus Paulus erstem Brief an die Gemeinde in Thessaloniki sagt: Sondern wie es denn wahrhaftig ist nicht als Menschen, als Gotteswort!“

„Wer hat schon einen so schönen Arbeitsplatz“, freute sich Pfarrer Dietmar Reumann-Claßen von der Kirchengemeinde Blexen. Die große Spendenbereitschaft habe gezeigt, dass hier viele Menschen lebten, die zu ihrer Kirche stünden, so der Pastor. Er bewunderte auch die Arbeit von Restaurator Pleninger, der sich akribisch mit den kleinsten Details beschäftigt und ihnen Stück für Stück zu neuem Glanz verholfen hatte.

Um die hohen Kosten von insgesamt 42.000 Euro für die Restaurierung aufzubringen, waren mehrere Stiftungszuwendungen unumgänglich. So kamen 15.000 Euro von der Johann-Emkes-Stiftung, die treuhänderisch von der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz betreut wird. Die Kirchbaustiftung der oldenburgischen Kirche steuerte 12.000 Euro bei, der Kirchbauverein der St.-Hippolyt-Kirche spendete 4.700 Euro und von Privatspendern aus der Gemeinde kamen insgesamt 8.000 Euro. Das Geld sammelte der Kirchbauverein bei Kirchenführungen und Kollekten ein.

„Über Jahre habe ich das Geld aus Kirchenführungen für das Projekt gesammelt“, erklärte Herbert Dannemeyer, Schriftführer des Kirchbauvereines und ehrenamtlicher Kirchenführer. Der Vorsitzende des Kirchbauvereines Rechtsanwalt Wolfgang Schaarschmidt aus Bremen wies in seiner Ansprache bei der anschließenden Feierstunde darauf hin, dass sich der Verein vor 14 Jahren gegründet hatte, um endlich die dringend erforderliche Renovierung der Kanzel vornehmen zu können. Er ging auch auf die historische Entwicklung des Predigtstuhles hin. Da die Kanzel im Jahr 1965 an ihren heutigen Platz im Kirchenschiff versetzt wurde, war es teilweise zu Beschädigungen gekommen. Viele Diskussionen und Gespräche waren nötig, um das jetzige Ergebnis bestaunen zu können. Schaarschmidt lobte auch die umsichtige Arbeit des Restaurators Uwe Pleninger, der zudem stets bereit war, Besuchern Fragen zu beantworten. „Die Schönheit, Bildsprache, Ausstrahlung und Würde sind nun für alle sichtbar“, so der Vorsitzende.

Dipl.-Ing. Achim Knöfel vom Oberkirchenrat in Oldenburg, der die Aufsicht über die Restaurierungsarbeiten hatte, hob die Besonderheiten der Kanzel und der Kirche hervor. Das erste Werk Münstermanns sei das Altarretabel von 1610 gewesen, dann wurde 1638 die Kanzel in Auftrag gegeben. Zum Glück seien im 19. Jahrhundert nicht – wie an anderen Orten vielfach praktiziert – die alten Kirchenelemente einfach entsorgt worden. „Hier ging man um einiges schonender mit den Werken Münstermanns um“, berichtete Knöfel. Durch die neue Farbfassung aus dem Jahr 1852 im Stil des Klassizismus sei die Kanzel auf Augenhöhe mit der Oldenburger Kunstszene gewesen.

Bei der neuerlichen Restaurierung wurden in Blexen hoch pigmentierte lichtechte Ölfarben aufgetragen, die 200 bis 300 Jahre halten sollen. Auch Gouachefarben kamen zum Einsatz. Im Stil des Klassizismus wurden mit den Farben Materialien wie Edelsteine, Marmor, Alabaster, Rosenholz und sogar Bronze auf dem Eichenholz nachgeahmt. „Einmalig ist, dass alle Elemente der Kanzel erhalten geblieben sind“, freute sich Pleninger.

In der St.-Hippolyt-Kirche wartete noch eine besondere Aufgabenstellung auf Restaurator Pleninger, die sich aber erst während der Arbeiten herauskristallisierte. Einige Figuren und Reliefs waren nämlich im Zuge der letzten Restaurierungsarbeiten vor 50 Jahren aufgrund von Unwissenheit oder beabsichtigt vertauscht worden. So wurde Johannes der Täufer in die hintere rechte Ecke platziert, obwohl er aufgrund der Erzählreihenfolge in der linken Ecke den Anfang der Figuren hätte machen müssen. Diese alte Erzählreihenfolge hat Pleninger nun wieder hergestellt und musste dazu die Reliefs und die Figuren in die Nischen der Kanzel neu einarbeiten.

Ein Engelskopf wurde ebenfalls versetzt, da sich hinter ihm ein unlesbares Erzählschild verbarg. Außerdem konnte Pleninger drei Putten, die jahrelang im Kirchturm verstaut waren, reaktivieren und sie an ihre ursprünglichen Plätze über dem Kanzelkopf montieren.

Als Ortskuratorin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz freute sich Dörte Lossin über die hervorragende und gelungene Arbeit. Hier würden drei Zeiten miteinander verbunden. Die des Großvaters Johann Hayen-Emkes, des Enkels Dr. Harro Lührmann in der Gegenwart und die Zukunft, in der die Gemeinde sowie die Besucherinnen und Besucher in der Kirche Ruhe finden, die Meisterwerke betrachten und sich an Ludwig Münstermann erinnern könnten. „Seht, welch kostbares Erbe!“, schloss sie ihre Ausführungen.

Eigens aus Regensburg in seien alte Heimat im Norden angereist war das Stiftungsgründerpaar Lührmann. Sie wurden beide im nahen Hude groß und haben ihre Heimat nicht vergessen. Dr. Harro Lührmann konnte Pastor Dietmar Reumann-Claßen ein Bronzeschild der Deutschen Stiftung Denkmalschutz überreichen, in dem bescheinigt wird, dass die Blexer Kanzel zu den bedeutendsten kunsthistorischen Werken gehört.

Ein Beitrag von Beatrix Schulte.

Source: Kirche-Oldenburg