Hannover (epd). Die Diakonie in Niedersachsen fordert von der Politik einen Aktionsplan gegen die Armut im Land. «Die Armutsfrage ist eine zentrale Herausforderung in den kommenden Jahren», sagte Vorstandssprecher Hans-Joachim Lenke am Montag in Hannover mit Blick auf die Landtagswahl am 9. Oktober. Die Politik müsse verhindern, dass die Gesellschaft immer weiter auseinanderdrifte. «Wir müssen dafür sorgen, dass wir diese Gesellschaft zusammenhalten.» Dabei gehe es auch um einen Beitrag zur «Resilienz» und Widerstandskraft der Demokratie.

 

Lenke rief die Kandidatinnen und Kandidaten aller demokratischen Parteien dazu auf, an sozialen Stadtrundgängen der Diakonie teilzunehmen, die zu Orten der Armut und Obdachlosigkeit führen, oder in sozialen Einrichtungen zu hospitieren: «Wir brauchen Politiker, die hinschauen. Wichtig ist die Kenntnis vor Ort.» Laut Lenke hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bereits zugesagt, zeitweise bei einem ambulanten Pflegedienst mitzuarbeiten. Denkbar seien auch Hospitationen in einer Jugendwerkstatt oder einem Hospiz.

 

Mit 17 Prozent habe die Armutsquote 2020 auf einem bis dahin nie dagewesenen Niveau gelegen, sagte Lenke. «Wir reden nicht über ein Randphänomen, sondern über einen beträchtlichen Teil der Gesellschaft.» Besonders stark betroffen seien junge Menschen: Gut 23 Prozent der unter 18-Jährigen im Land seien armutsgefährdet – etwa 300.000 Kinder und Jugendliche.

 

Unter anderem müssten frühkindliche Bildungsangebote und Familienzentren ausgebaut werden, forderte Lenke. Nötig sei auch der Ausbau der Ganztagsschulen und die Lernmittelfreiheit. Für die Schulen und Kindertagesstätten müsse ein «Sozialindex» erstellt werden, um genau zu erkennen, wo etwa die Hilfe von Sozialarbeitern nötig sei. «Wir wollen, dass die Unterstützung punktgenau und nicht mit der Gießkanne erfolgt.»

 

Lenke hofft, dass die Migration als Chance erkannt wird, um dem Fachkräftemangel in der Pflege oder in den Kitas entgegenzuwirken. «Wir können es uns nicht mehr leisten, eine fachlich qualifizierte Pflegekraft aus dem Ausland hier als Reinigungskraft arbeiten zu lassen.» Deswegen müsse die Anerkennung internationaler Abschlüsse vereinfacht werden. «Da müssen wir schneller werden und Hürden abbauen.»

 

Eine Absage erteilte der Diakonie-Vorstandssprecher der Idee eines sozialen Pflichtdienstes für alle jungen Menschen. Immer noch gebe es zu wenig freie Plätze in den Freiwilligendiensten, betonte er: «Freiwiligkeit ist an dieser Stelle ein hohes Gut.» Eine Pflicht werde die Probleme nicht lösen. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, soziale Arbeit könne jeder.

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Diakonie in Niedersachsen fordert Aktionsplan gegen Armut – Vorstandssprecher Lenke: Gesellschaft darf nicht auseinanderdriften