Die drei alten Männer singen mit Inbrunst ihr Lied. Ich verstehe es nicht, nicht ein Wort. Aber all die anderen, die mit mir gegenüber von ihnen sitzen, erheben sich. Und wahrscheinlich kann keiner sich gerade davor schützen, dass ihn und sie etwas ergreift, das schwer zu beschreiben ist. Fast 200 Menschen haben sich in Sengwarden mitten im Zentrum getroffen. Die alten Männer sind alle aus Israel und eigentlich stehen sie für ihre Kindheit hier. Ihre Eltern waren in der Kaserne Sengwarden untergebracht. Sie waren Überlebende aus KZs und wollten nun nach Israel auswandern. Mit dem Schiff EXODUS waren sie schon fast am Ziel angekommen, als die Engländer sie zurückschickten und in Deutschland kasernierten. Im Land der Mörder ihrer Familien wurden sie einkaserniert. Im Rückblick immer noch unglaublich. Ihre Reise ging dann ein Jahr später wieder nach Israel und dann konnten sie tatsächlich das Land betreten. Die drei alten Männer waren damals Säuglinge. Ihre Eltern waren – wie gesagt – Überlebenden aus den KZs. 74 Jahre ist das schon wieder her. Die Säuglinge durften groß und alt werden. Und die Geschichte war noch mal ganz dicht, als sie ihr Lied der Exodus sangen.
Frank Morgenstern
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