Als ich mit meiner Mutter vor einiger Zeit das ehemalige Auffanglager in Fuhrenkamp besuchte kamen die Erinnerungen.

„Hier haben wir nach der Vertreibung erst einmal gelebt.“

1945 hieß es raus aus Birkenau, raus aus Schlesien. 

Einige Jahre zuvor die erste Familienkatastrohe: Ihr Vater bleibt im Krieg, er ist in Frankreich gefallen. Als 29 jähriger 5facher Familienvater. Ihre jüngste Schwester hat ihn nicht mehr kennengelernt.

Jetzt wurde die sechsköpfige Familie, mit vielen anderen, in Viehwaggons gezwängt. Darin lag etwas Stroh, erinnert sich meine Mutter. Erster Halt: Gleiwitz. Dort kamen sie in ein Sammellager und es hieß : „Ihr kommt zurück!“ Dann ging es weiter. Nach unendlich langer Reise im dunklen Viehwaggon, kamen sie irgendwann im Auffanglager Fuhrenkamp an. 
Das wurde für einige Zeit ihr neuer Ort. Zu zwölft teilte man sich einen Raum. 10 Kinder, zwei Mütter.

Wo das Zimmer war, konnte meine Mutter mir von außen zeigen. Hier im Auffanglager Fuhrenkamp ging meine Mutter zur 1. Heiligen Kommunion. Ein weißes Kleid aus Gardinenstoff hatte jemand für sie genäht. Die „Vertriebenen“ waren fast alle katholisch. Ein eigenes Volk, sozusagen. Die Erinnerungen an diese Zeit sind nicht nur schlecht. Gemeinsames Blaubeeren suchen mit den anderen Kindern hier im Wald, Schule, Rituale… und ein langsam einsetzendes Gefühl von Sicherheit halfen…es war ein neuer Anfang. 

Sabine Wistuba

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