Martha ist Mitte der Neunziger als sogenannte Spätaussiedlerin nach Deutschland gekommen. Irgendwie hatte sie sich ihre Heimat ganz anders vorgestellt. Drüben war sie die „Deutsche“ oder hinter vorgehaltener Hand die „Nazi“. Hier war sie auf einmal die Russin. Lange hat es gedauert, bis sie hier ein Zuhause gefunden hat. Ihr größter Schatz ist noch immer die alte Lutherbibel.

Meine Großmutter Ella aus Ostpreußen konnte nicht viel mitnehmen auf die Flucht. Das Wertvollste trug sie ohnehin unter ihrem Herzen: Meinen Vater. Der kleine Reinhard wurde im Februar 45 mitten auf der Flucht geboren. Für eine Geburtsurkunde war keine Zeit, aber Taufe, das musste sein. Den Taufschein gibt es noch heute.

Zum Reformationsjubiläum nächstes Jahr sammeln wir Glaubensgeschichten wie von Martha und Ella. Erstaunlich, in wie vielen Geschichten eine Flucht oder eine Auswanderung eine Rolle spielt. Das verändert das Leben. Das verändert den Glauben. Auch bei uns, die wir hier bleiben.

 

Nico Szameitat

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