Abstand halten! So lautet bekanntlich das Gebot der Stunde, ja der ganzen letzten Zeit. Und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Über Nähe und Distanz möchte ich mit Ihnen diese Woche nachdenken. 

Wenn ich vor langer Zeit bei einer Mathearbeit mal wieder ahnungslos dasaß und die Versuchung groß war, meinem Nachbarn über die Schulter zu gucken, da pflegte mein Mathelehrer mit drohender Stimme zu sagen: „Vorsicht, Jörg! Der liebe Gott sieht alles!“

So „lieb“ schien dieser Gott also gar nicht zu sein, eher so ein „Big Brother“, ein „Jonny Controlletti“, eine ständige Bedrohung. 

Ich habe den Eindruck, die Zeit, in der so von „Gott“ gesprochen wurde, ist lange vorbei. Wobei schon mein Lehrer ja eigentlich weniger über Gott redete als über sich selber! Heute jedenfalls ist Gott bis tief in die Kirche hinein eigentlich immer lieb und freundlich. Strafen tut er schon lange nicht mehr. Wir reden von ihm fast wie der Hundebesitzer von seinem Liebling: „Der macht nichts, der will nur spielen.“

Nun, ich denke:  Nur wenn Gott mehr ist als eine Witzfigur, nur wenn wir auch unsere Distanz zu ihm ernst nehmen, taugt er für Gebete, die seine Hilfe erbitten, seine Macht beschwören und von ihm wirklich etwas erwarten. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass die erste Bitte des Vaterunsers bekanntlich so lautet: „Dein Name werde geheiligt!“ 

Pastor Jörg Zimmermann, Ev.-luth. Kirchengemeinde Sande

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