Als Kind besuchte ich oft meine Großmutter. Sie konnte sich nur mühsam mit dem Handstock vorwärts bewegen, also saß sie in der Regel in ihrem Korbstuhl  in der Wohnküche. 

Großmutter bekam viel Besuch. Manchmal die junge Nachbarin mit ihrem blinden Sohn. Sie brachte meist einen Teller mit Rosinenkuchen mit, köstlich! Beim Tee wurde über allgemeine Dinge geredet, über das, was im Städtchen so passierte. Danach bat die Nachbarin mich, mit dem kleinen Jungen spazieren zu gehen. Das tat ich gerne. Kamen wir zurück, sah ich oft, dass die Frau geweint hatte. Alles liege in Gottes Hand oder Gott habe das letzte Wort noch nicht gesprochen, hörte ich dann Großmutter sagen. Die Nachbarin putzte sich die Nase und verabschiedete sich mit: „Danke, dass ich dich immer besuchen darf!“

„Komm bald wieder“, sagte Großmutter.  An anderen Tagen kam Andreas, trank viele Tassen Tee, lächelte und blieb ganz stumm. Außer „Danke“ und „Tschüß“ habe ich diesen Riesen mit dem Verstand eines 5 Jährigen nie etwas sagen gehört. Manchmal besuchte der Pastor Großmutter oder Laila, die die Erwachsenen die Zigeunerin nannten. Ich fand sie alle höchst interessant und Großmutter war eine wunderbare Gastgeberin!

Christa Bruns

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