Hannover (epd). Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, hält es für richtig, dass einige Holocaust-Überlebende auch in Neuen Medien wie Tiktok ihre Botschaft übermitteln. «Diese Aktivitäten von Überlebenden sind der Erkenntnis geschuldet, dass sie in einer Zeit leben, in der man längst wieder in eine Richtung abgebogen ist, die ihnen allergrößte Sorgen bereitet und sie zornig macht», sagte er Zeitungen des «RedationsNetzwerkes Deutschland» (Samstag).

 

Er bezog sich unter anderem auf den 87-jährigen Holocaust-Überlebenden Gidon Lev, der auf Tiktok aktiv ist. Seine Botschaft sei, «ich bin noch da», sagte Heubner. «Das ist ein zorniger Aufschrei, damit gehört wird, wohin es führen kann, was mancherorts schon wieder zu beginnen scheint.» In den Schulen würden Kenntnisse über den Völkermord an den Juden nicht mehr hinreichend vermittelt, fügte er an. «In einer Zeit, in der rechte Parteien weltweit auftrumpfen oder wie in Italien Faschisten mit an die Macht kommen, ist diese Entwicklung nahezu grotesk.»

 

Diejenigen, die sich entschieden hätten, Zeugnis abzulegen und ihre Geschichte zu erzählen, nutzten auch neue Möglichkeiten, sagte Heubner. «Sie haben den Anspruch, eine Gedenkstätte zu sein. Sie wissen, dass sie emotionale Anstöße geben, die zwar mit Fakten ergänzt werden müssen, aber durch ihre Authentizität ein besonderes Gewicht haben.» Er gehe davon aus, dass diese Menschen wüssten, was sie täten, wenn sie sich etwa filmen ließen, um damit als Hologramm auch von späteren Generationen virtuell noch befragt werden zu können.

 

«Persönlich sehe ich dort Grenzen, wo Überlebende zum Objekt werden, zum Beispiel, wenn ich sie virtuell in mein Wohnzimmer setzen könnte. Nicht alles, was man machen kann, sollte man tun», sagte er. «Manche Antworten sollte vielleicht nur jemand aus Fleisch und Blut geben. Man muss auch akzeptieren, dass etwas aufhört mit dem Tod der Überlebenden.»

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Heubner: Holocaust-Überlebende auf Tiktok sind zorniger Aufschrei