Der Mann sitzt in der letzten Kirchenbank, in der allerletzten. So, als könne er gar nicht weit genug weg sitzen vom Altar. Er sitzt dort ganz alleine.  Überhaupt ist er alleine, als ich in die Kirche komme.

Unsere Kirche in Bant ist jeden Tag geöffnet – wie viele andere Gotteshäuser auch. Ein Bewegungsmelder sorgt für angenehme Beleuchtung. Und wer möchte, kann vorne eine kleine Kerze entzünden.

Wir wissen von Menschen, die beinahe jeden Tag kommen. Es ist für sie wie ein eigener kleiner Gottesdienst.

Ich frage den Mann, ob er ein wenig sprechen möchte. Das will ja lange nicht jeder. Statt einer Antwort fängt er einfach zu reden an.

Es ist eine von diesen traurigen Geschichten, wie es sie zu oft gibt:  den Job verloren, angefangen zu trinken, immer mehr – und dann auf die Straße. Seit sieben Jahren ist er nun auf Platte, wie Obdachlose es nennen. Er war schon in so vielen Städten, seit einem Jahr ist er in in Wilhelmshaven.

Aus einem kurzen Schnack wird eine halbe Stunde, ein ganzes Leben.

Am Ende zünden wir noch zwei Kerzen an. Er für sein Kind, das er schon so lange nicht gesehen hat. Ich für meine Mutter, die vor Jahren gestorben ist.

Kein Gebet.  Wir sind beide sicher, dass wir nicht in die Luft gesprochen haben.

 

Stefan Stalling

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