In sechs Arbeitsgruppen und ein Orga-Team haben sich die Ehrenamtlichen in der Zwischenahner Arbeit für Geflüchtete eingeteilt. Das berichtet Heide Hahn-Reuss auf der von Kirchenkreis, Diakonie und Evangelischem Bildungswerk Ammerland organisierten Fortbildung im Haus Feldhus.
Eine der Arbeitsgruppen kümmere sich besonders um die Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. „Betriebsbesichtigungen, Vermittlung von Praktika, aber auch die Erläuterung des deutschen Berufsausbildungssystems stehen bei uns im Mittelpunkt.“ Vielen Geflüchteten sei die Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems nicht klar. „’Erst Lehre, dann Studium – das geht?!’ stellen viele überrascht fest, die vor der Flucht in ihrem Heimatland Abitur gemacht haben.“ In Zwischenahn – wie inzwischen in allen Gemeinden des Ammerlandes – gibt es eine bestens und selbst organisierte, hoch motivierte und sehr effektive Arbeit der bürgerschaftlich Engagierten.
„Wissen Sie, warum die Deutschen so pünktlich sind und darauf auch soviel Wert legen?“ Mit dieser Frage überrascht Dominique Pannke, Kommunikationsexpertin und Referentin des Abends, ihr Publikum gleich zu Beginn. Dass niemand eine Antwort wusste, verwundert sie nicht. „90 % des kulturellen Verhaltens von Menschen sind unsichtbar und liegen wie bei einem Eisberg im Verborgenen.“ Heute entspreche die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen einem eher offenen Kulturbegriff. „Viele Menschen haben deshalb interkulturelle Kompetenzen wie Offenheit und Empathie, streben eine gerechte Teilhabe für alle an und sind bereit, gemeinsam neue Lebenswelten zu schaffen.“ Engagierte sollten sich ihrer eigenen kulturellen Prägung (z. B. Pünktlichkeit) dabei aber bewusst sein.
Solange die Deutschkenntnisse der Geflüchteten noch gering sind, helfen bei der Kommunikation und dem Begreifen der deutschen Kultur verschiedene Internetseiten mit Filmen, die Geflüchtete und Deutsche gemeinsam ansehen können. „Wie funktioniert Deutschland“ zum Beispiel oder die Sendung mit der Maus auf Arabisch. „Das alles sind Hilfen, die genutzt werden können. Über die Erklärungen der Maus kann dann eben auch gemeinsam gelacht werden.“
„Alles eine Frage der Haltung“ sind fünf Empfehlungen für gelingende Begegnungen von kulturell sehr unterschiedlich geprägten Menschen überschrieben, mit denen Dominique Pannke den Abend beschließt. „Legen Sie den Fokus auf individuelle, menschliche Begegnungen. Bleiben Sie respektvoll neugierig und geduldig. Vermeiden Sie Generalisierungen, wo immer möglich. Vermeiden Sie Aktivismus und erkennen Sie Ihre eigenen Grenzen. Machen Sie nichts, was Sie nicht aus Freude heraus tun möchten.“
Ach ja, es fehlt noch die Antwort auf die Eingangsfrage. Das Klima sei Ursache für die Pünktlichkeit der Menschen im Norden Europas. „Wer im Frühjahr nicht rechtzeitig sät, kann im Herbst nicht ernten und muss im Wintern hungern.“ Seit Völkerwanderungen Menschen aus der Menschheitswiege Afrika in den Norden des Planeten gebracht hätten, werde diese Kultureigenschaft bei uns ausgeprägt. In den wärmeren Zonen könne eben fast immer gesät und geerntet werden. Dort komme es auf das präzise Einhalten von Zeiten eben nicht so an. Kultureigenschaften haben oft sehr tiefe und viele Tausend Jahre alte Wurzeln.
Die nächste Fortbildung für bürgerschaftlich Engagierte in der Arbeit mit Geflüchteten findet am 12. November um 19 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus, Denkmalsplatz 5, in Rastede statt. Thema: Rahmenbedingungen und Anforderungen ehrenamtlichen Engagements. Referentin ist Helma Setje-Eilers von der Freiwilligenagentur Ammerland.
Peter Tobiassen
Source: Kirche-Oldenburg