Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, fordert ein Ende der Isolationspflicht für Corona-Infizierte. Dem widersprechen unter anderen Bundesgesundheitsminister Lauterbach und der Patientenschützer Brysch.

Osnabrück/Hannover (epd). Die Forderung von Kassenärztechef Andreas Gassen nach einer Aufhebung der Isolationspflicht für Corona-Infizierte stößt auf deutlichen Widerstand. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) twitterte am Samstag: «Infizierte müssen zu Hause bleiben. Sonst steigen nicht nur die Fallzahlen noch mehr, sondern der Arbeitsplatz selbst wird zum Sicherheitsrisiko.» Auch Patientenschützer und der Weltärztebund-Vorsitzende Frank Ulrich Montgomery kritisierten die Äußerung des Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Unterstützt wird Gassens Vorstoß dagegen von der FDP.

Gassen hatte in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstag) ein Ende der Isolationsbestimmungen angemahnt, um Personalengpässe, etwa in den Kliniken, zu entschärfen. «Wer krank ist, bleibt zu Hause. Wer sich gesund fühlt, geht zur Arbeit. So halten wir es mit anderen Infektionskrankheiten wie der Grippe auch», sagte er. Die Verläufe seien fast immer milde. «Das Problem sind also nicht die vielen Infektionen, sondern, dass positiv Getestete auch ohne Symptome mehrere Tage zu Hause bleiben, in Isolation geschickt werden.»

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Montgomery, warnte dagegen eindringlich vor einem Ende der Isolationspflicht. «Die Aufhebung von Quarantäneregeln aus Arbeitsmarktgründen ist aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten», sagte Montgomery der Düsseldorfer «Rheinischen Post» (Montag): «Unsere Aufgabe ist es, Menschen vor Krankheit, Leid und Tod zu bewahren und nicht, kranke Menschen zur Arbeit zu treiben.»

Der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warf Gassen «reinen Opportunismus» vor. Fast immer hätten infizierte Erwachsene Symptome, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). «Die Isolation schützt. Denn so wird verhindert, dass sich Andere anstecken.» Schon mehr als fünf Millionen Genesene litten unter Long- und Post-Covid. «Andreas Gassen spielt mit der Gesundheit der Menschen», unterstrich Brysch.

Kritik an Gassens Vorstoß äußerte auch die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD). «Das wollte er schon mal. Kurze Zeit später waren übrigens Intensivbetten voll», schrieb sie auf Twitter. Niedersachsen habe damals nicht auf ihn gehört und werde es auch dieses Mal nicht tun. Sie bezweifle, dass die Mehrheit der Ärzte Gassens Meinung teile.

Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ullmann, erklärte dagegen, die Isolationsdauer bei Covid-19 sollte nicht mehr von staatlicher Seite fixiert sein. Ärztinnen und Ärzte sollten medizinisch entscheiden, wie lange eine Krankschreibung dauert, twitterte er: «Traue den Menschen zu, selber zu entscheiden.»

Gassen hatte dafür plädiert, die Omikron-Mutante fast als «Friedensangebot des Virus» zu sehen. Wer sich nach Dreifachimpfung anstecke, profitiere sogar von einer Infektion, indem er oder sie eine Schleimhautimmunität erwerbe. Gegen schwere Verläufe seien Geimpfte gut geschützt. Niemand sollte sich deshalb aktiv anstecken. «Aber wir können uns nicht dauerhaft vor dem Virus verstecken. Und wir sind das letzte Land in Europa, das noch derart aufgeregt über einen Corona-Notstand diskutiert.»
 

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Kritik an Gassen-Forderung nach Ende der Corona-Isolationspflicht