Hannover (epd). Die Nachricht vom Absturz eines Germanwings-Maschine über Südfrankreich hat nach Angaben des Flughafen-Seelsorgers Ulrich Krämer aus Hannover die Bediensteten der Fluglinien schwer getroffen. «Das lässt keinen kalt, der da arbeitet», sagte Krämer am Mittwoch im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). «Bei allen, die am Flughafen arbeiten, laufen innerlich Bilder des Schreckens ab.» Viele Mitarbeiter von Germanwings und der Lufthansa seien kaum noch in der Lage zu arbeiten.

   Dennoch läuft der Flugverkehr am Flughafen Hannover-Langenhagen nach Angaben einer Sprecherin weiterhin planmäßig und ohne Ausfälle. Bei dem Unglück in den Alpen waren am Dienstag vermutlich alle 144 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder eines Fluges von Barcelona nach Düsseldorf ums Leben gekommen.

   Krämer ist seit 2005 Seelsorger am Flughafen Hannover-Langenhagen. Dort habe sich nach der Katastrophe sofort eine «lähmende» Stimmung breitgemacht, obwohl niemand direkt betroffen war, sagte er. «Man kennt sich gegenseitig – Stewardessen, Bedienstete, Piloten.» Jeder Pilot von Germanwings habe eine Maschine vom Typ Airbus A320 bereits einmal geflogen. «Die Menschen denken: Wenn der Dienstplan etwas anders gewesen wäre, dann wäre mir das passiert.» Sehr belastend sei die Ungewissheit über die Ursachen des Unglücks: «Denn es könnte ja auch den nächsten Flug treffen.»

   Rettungsteams, Seelsorger und Teams zur psychosozialen Betreuung an den Flughäfen trainierten immer wieder ihren Einsatz in solchen Notfällen, berichtete Krämer. Gerade die Kollegen in Düsseldorf seien sehr gut vorbereitet, weil sie nach einer Brandkatastrophe 1996 besonders intensiv den Ernstfall geübt hätten. Für die Seelsorger sei es wichtig, die Angehörigen von Verunglückten sofort in separierte Räume zu begleiten, sie von den Medien abzuschotten und für eine geordnete Kommunikation mit der jeweiligen Fluggesellschaft zu sorgen.

   Seelsorger gäben nur Fakten weiter, keine Spekulationen. Ihre Aufgabe sei, in solchen Situationen einen klaren Kopf zu behalten und konkrete Dinge für die völlig traumatisierten Angehörigen zu regeln. «Wer so betroffen ist, der weiß in dem Moment gar nicht, was er tun soll.» Manchmal bleibe nur, Tränen abzuwischen. Manchmal helfe auch ein Gebet. Eine große Hilfe sei es, im Kreis anderer Betroffener zu sein. «Nichts ist so schlimm wie Vereinzelung.» Für tiefgehende Gespräche sei es kurz nach einem solchen Unglück aber zu früh.

   Bei dem Unglück in Südfrankreich kamen nach Polizeiangaben auch zwei Männer im Alter von 27 und 28 Jahren ums Leben, die aus Lingen im Emsland und Neuenhaus im Landkreis Grafschaft Bentheim stammen. Das Landeskriminalamt in Hannover richtete eine Koordinierungsstelle ein.

epd/Michael Grau

Stichwort: Notfallseelsorge
Hannover (epd). Die Notfallseelsorge ist ein ökumenisches Angebot der Kirchen, das Menschen in akuten Krisen wie Unglückfällen beistehen soll. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Rettungs- und Hilfsdiensten. Bundesweit gibt es kirchlichen Angaben zufolge derzeit schätzungsweise 250 Seelsorgegruppen mit rund 3.000 Mitarbeitern, die Opfern und Einsatzkräften zur Seite stehen.

   Nach dem Flugzeugabsturz in Frankreich waren auf dem Düsseldorfer Flughafen 15 Betreuerinnen und Betreuer von der Flughafen- und der Notfallseelsorge im Einsatz. Sie kümmerten sich dort in einer abgeschirmten Lounge um Menschen, die ihre Angehörigen und Freunde von der beim Flug von Barcelona verunglückten Germanwings-Maschine abholen wollten.

   Die planvoll organisierte Seelsorge in Notfällen und im Rettungswesen ist ein relativ neues Gebiet kirchlicher Seelsorge. Neben Pfarrerinnen und Pfarrern engagieren sich viele Ehrenamtliche in diesem Bereich, die speziell für diese Aufgabe geschult wurden. Seit 1998 sind die Notfall-Beauftragten der evangelischen Landeskirchen in der Konferenz Evangelischer Notfallseelsorger organisiert; entsprechend gibt es die Konferenz der Diözesanbeauftragten für Notfallseelsorge auf katholischer Seite.

   Große Einsätze waren etwa die ICE-Katastrophe im niedersächsischen Eschede am 3. Juni 1998 oder auch der Tsunami 2004. Damals wurden deutsche Notfallseelsorger nach Thailand geschickt. In Niedersachsen und Bremen halten sich nach Kirchen-Angaben mehr als tausend evangelische und katholische Pfarrer, Diakone und Ehrenamtliche mit einer speziellen Zusatzausbildung für Einsätze als Notfallseelsorger bereit.

epd
Source: Kirche-Oldenburg