Hannover (epd). Die niedersächsische Landesarmutskonferenz sieht die Demokratie in Gefahr, sollte die soziale Ungleichheit weiter zunehmen. Die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich sei in Deutschland deutlicher als im Rest der Welt festzustellen, sagte der Geschäftsführer der Armutskonferenz, Klaus-Dieter Gleitze, am Montag in Hannover: Vom Vermögenszuwachs, der 2020 und 2021 in der Bundesrepublik erwirtschaftet wurde, entfielen 81 Prozent auf das reichste eine Prozent der Bevölkerung. Weltweit seien es lediglich rund 65 Prozent gewesen.

 

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, fordere die Landesarmutskonferenz krisenbedingte Übergewinne abzuschöpfen. Für Menschen mit einem Vermögen von mehr als 30 Millionen Euro müsse eine Vermögensabgabe eingeführt werden, sagte Gleitze. Zudem sollten Steueroasen und Steuerschlupflöcher geschlossen und eine Finanztransaktionssteuer mit einem Steuersatz von 0,2 Prozent eingeführt werden.

 

Laut Gleitze ist der Andrang bei den Tafeln bundesweit so groß, dass Aufnahmestopps nötig seien. Vielerorts müssten die Helferinnen und Helfer Deeskalationstrainings absolvieren, um der wachsenden Aggression als Folge von Angst und Verzweiflung bei den Nahrungssuchenden begegnen zu können.

 

Auf der anderen Seite hätten 95 Lebensmittel- und Energiekonzerne, die weltweit tätig sind, ihre Gewinne im Jahr 2022 mehr als verdoppelt, betonte Gleitze. Sie hätten 306 Milliarden US-Dollar an sogenannten Zufallsgewinnen erzielt. So werden Gewinne genannt, die mehr als zehn Prozent über dem langjährigen Jahresdurchschnitt liegen.

 

«Diese Entwicklung ist obszön, greift die Grundlagen unserer Gesellschaft an und gefährdet langfristig die Demokratie, wenn die Politik nicht nachhaltig gegensteuert», unterstrich der Armutsexperte. Bereits jetzt liege die Wahlbeteiligung in sozialen Brennpunkten um bis zu 50 Prozent niedriger als in gutsituierten Vierteln. Gleitze verwies auf eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, der zufolge nur 59 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze der Meinung seien, dass die Demokratie hierzulande gut funktioniere. Das seien elf Prozent weniger als in der Gesamtbevölkerung.

 

Kirche-Oldenburg
Landesarmutskonferenz: Wachsende Ungleichheit gefährdet Demokratie