Vor 500 Jahren hielt Kaiser Karl V. in Worms seinen ersten Reichstag ab. Auch der Augustinermönch Martin Luther trifft begleitet vom Reichsherold in der Stadt ein. Er soll sich vor dem Kaiser verantworten. Im Verhandlungsraum liegen Luthers Freiheitsschriften aus. Er wird gefragt, ob das seine Schriften seien und ob er sie zurücknehme. Der Mönch aus Wittenberg bittet um Bedenkzeit. Am nächsten Tag wird er wieder gefragt, ob er die Bücher verfasst habe. Er bejaht. Dann soll er widerrufen. Luther antwortet: „Päpste und Konzilien haben schon geirrt. Für mich gelten der Glaube und die Schrift. Gegen mein in Gott gegründetes Gewissen kann ich nichts aussagen.“ In der Rückschau auf das Ereignis wurden griffige Worte mit der widerständigen Szene verbunden: „Hier stehe ich; ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen.“ Ein einzelner gegen die Mächtigen seiner Zeit – so wurde das Geschehen oft interpretiert. Quasi der Beginn des Individualismus. Ganz so war es wohl nicht, auch Luther hatte Förderer, Freunde und Bundesgenossen – vielleicht mehr, als es ihm in dieser Situation bewusst war. Dass er Gottes Hilfe brauchte, war ihm wohl klar – auch wenn er den berühmten Satz nicht gesprochen hat. Denn das Ergebnis der Anhörung auf dem Reichstag war: Vogelfrei – hört sich heiter an, war aber mordsgefährlich.

Natascha Faull – Pastorin in Sengwarden

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