Er ist einer von uns. Trotzdem weiß fast niemand, was in ihm vorgeht. Er spricht nicht gern von sich – versucht vor seinen Nachbarn zu verbergen, wie es ihm geht – weil es ihm peinlich ist; so peinlich, dass man eigentlich sagen müsste: Weil er sich peinlich ist.

Er schweigt auch, weil er Angst hat. Wer würde ihm noch mit Respekt begegnen, wenn jedermann wüsste, dass er abends auf dem Sofa sitzt und einfach nur weinen will? Und nicht einmal mehr weinen kann.

Das Gefühl, dass nichts mehr da ist, lässt ihn nicht los. 

Er ist wie ein Boot, über dem die Wellen zusammenschlagen. Er ist wie in einem See, wo er keine Luft bekommt und ein Gewicht ihn in die dunkle Tiefe zieht.

Besonders schlimm ist es am Abend, wenn er erschöpft ist.

Es ist anstrengend, so zu tun, als wäre nichts. – 

Nun steht er in der Krankenhauskapelle und schaut zum Altar: Da ist ihm einen Augenblick lang, als würde der Jesus am Kreuz seine Arme noch ein Stück weiter öffnen, direkt zu ihm hin.

Und er hört ihn flüstern: „Komm, geh auf dem Wasser! Ich halte dich! Sei getrost; fürchte dich nicht!“

Für Minuten wird der Sturm im Kopf still.

Natascha Faull, Pastorin in Sengwarden

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