Hannover (epd). Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sieht im Reformationstag ein wichtiges Datum, um über den Zusammenhalt nachzudenken. «Wir brauchen einen Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält», sagte Weil am Mittwoch in Hannover bei einem Empfang, zum dem die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen anlässlich des neuen Feiertages eingeladen hatte. Er wünsche sich, dass sich der Reformationstag als ein Zentrum der interreligiösen Zusammenarbeit etabliere.
In Niedersachsen habe es an diesem ersten gesetzlichen Feiertag mehr als 1.000 Veranstaltungen gegeben, davon seien viele betont interkonfessionell und auf Zusammenarbeit angelegt gewesen. «Ich hoffe, dass das der Beginn eines schönen Kapitels unserer Entwicklung in Niedersachsen ist.» Weil erinnerte an die kontroverse Debatte über den Feiertag und an die Kritik aus den jüdischen Gemeinden. Die Diskussionen seien wichtig gewesen. Eine Würdigung der Reformation sei jedoch alles andere als ihre Glorifizierung. Auch die Fehler, Irrtümer und schweren Sünden würden dabei bedacht.
Der Ratsvorsitzende der Konföderation, Landesbischof Ralf Meister, bedankte sich bei Weil und dem CDU-Landeschef Bernd Althusmann für die politische Entscheidung, den Reformationstag zum gesetzlichen Feiertag zu machen. «Inzwischen bin ich gefesselt von der Idee, dass dieser Tag tatsächlich eine Notwendigkeit haben könnte», sagte der hannoversche Landesbischof. Die Reformation habe eine Bildungsinitiative begründet, die bis heute nachwirke. Er hoffe, dass der 31. Oktober zu einem «Thinktank» und einem festen Baustein für die Lerngeschichte des Landes werden könne.
Der Würzburger Rechtsphilosoph Horst Dreier skizzierte bei dem Empfang das Spannungsverhältnis zwischen der Religionsfreiheit und dem weltanschaulichen Neutralitätsgebot des säkularen Staates. «Der Staat darf sich nicht mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung identifizieren», betonte er. Allerdings biete er zugleich den Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften das Recht, sich frei zu entfalten. Deswegen kämen Privilegien, die früher nur die Kirchen in Anspruch genommen hätten wie der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, heute vielen Gemeinschaften zugute. Dazu zählten auch jüdische Gemeinden und der Humanistische Verband Niedersachsen.
In Deutschland sei der weltanschaulich neutrale Staat nicht am «politikwissenschaftlichen Reißbrett» entworfen worden, sondern er sei ein Produkt unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Kräfte. Es handele sich um einen demokratischen Kompromiss, sagte Dreier laut Redemanuskript. Extrempositionen hätten sich nicht durchsetzen können.
Vor der Marktkirche protestierten einige Anhänger der Giordano-Bruno-Stiftung mit einer nackten Skulptur des Reformators Martin Luther gegen den Reformationstag. Landesbischof Meister sagte dem epd, die Aktion sei eine provozierende Form in der Auseinandersetzung mit den Schattenseiten des Reformation: «Damit müssen wir uns beschäftigen und das haben wir auch getan.» Stadtsuperintendent Hans-Martin Heinemann sagte, die Judenfeindlichkeit Europas und der Christenheit zur damaligen Zeit seien eine traurige Wahrheit: «Luther hat sie nicht erfunden, sich aber kräftig daran beteiligt.»
Der Reformationstag wird in diesem Jahr in Norddeutschland erstmals als regulärer Feiertag begangen. Der Tag erinnert an die Veröffentlichung der 95 Thesen gegen Missstände in der mittelalterlichen Kirche durch Luther am 31. Oktober 1517.
Source: Kirche-Oldenburg