Die CDU im Niedersachsen will die Verhandlungen zu den Islamverträgen erst einmal auf Eis legen. Die Fraktion sieht den Verband Ditib zu nahe an der Türkei. Der Verband kritisierte die Entscheidung scharf. Die Landesregierung will weiter verhandeln.

Hannover (epd). Die Unterzeichnung der umstrittenen Verträge des Landes Niedersachsen mit den muslimischen Verbänden ist erneut infrage gestellt. Die oppositionelle CDU-Fraktion im Landtag hat am Dienstag einstimmig beschlossen, während der laufenden Legislaturperiode keine weiteren Verhandlungen aufzunehmen.

Insbesondere der Verband Ditib habe nicht die nötige Staatsferne zur Türkei, sagte der Fraktionsvorsitzende Björn Thümler in Hannover. Ditib kritisierte die Entscheidung scharf.

Der Vertrag soll nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung mit einer möglichst breiten Zustimmung im Parlament beschlossen werden. Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) bekräftigte, die Landesregierung wolle an den Verhandlungen festhalten. Die evangelische Kirche bedauerte die Entscheidung der CDU.

Thümler sagte, Ditib werde in starkem Maße von der türkischen Regierung gesteuert. «Beispielsweise werden Ditib-Imame als türkische Beamte aus der Türkei in die hiesigen Moscheen entsandt, und Predigten werden zentral vorgegeben.» Die aktuellen Entwicklungen nach dem Putschversuch in der Türkei spielten ebenfalls eine Rolle für die Entscheidung der Fraktion. Auch in Deutschland werde seitdem vermehrt auf Menschen Druck ausgeübt, die der regierenden AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisch gegenüberstünden.

Die Geschäftsführerin der Ditib in Niedersachsen und Bremen, Emine Oguz, warf dagegen der CDU «politische Polemik» vor. Die Fraktion bediene 40 Tage vor den Kommunalwahlen bestimmte Gruppen in der Wählerschaft mit «AfD-Parolen», sagte sie. Gutachten belegten, dass Ditib unabhängig von der türkischen Regierung sei. Der Verband kooperiere lediglich mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die rund 90 Imame in Niedersachsen finanziere. Die Theologen seien Beamte der Religionsbehörde. Dies sei vergleichbar mit deutschen Lehrern, die für eine bestimmte Zeit an einer deutschen Schule im Ausland arbeiten. Auch diese blieben deutsche Staatsbeamte.

Die CDU habe als Regierungspartei in Niedersachsen selbst Verträge mit der Ditib über den islamischen Religionsunterricht und die muslimische Gefängnisseelsorge geschlossen, sagte Oguz. «Und plötzlich sind wir nicht mehr gut genug.»

Der Vorsitzende des Rates der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Landesbischof Ralf Meister, sagte dem epd: «Wir würden es sehr bedauern, wenn es innerhalb dieser Legislaturperiode nicht mehr zu einem Vertragsabschluss kommt.» Gerade angesichts der aktuellen Situation in der Türkei befürworteten die Kirchen weiterhin einen Vertrag, der die islamischen Gemeinschaften anerkenne und ihre Pflichten und Rechte klar regele.

Kultusministerin Heiligenstadt sagte: «Die Landesregierung hat nach wie vor ein großes Interesse an einer Fortführung der Vertragsverhandlungen.» Gerade in den aktuell angespannten Zeiten sei der Abschluss der Islamverträge wichtig, um dem Missbrauch des Islam zu extremistischen Zwecken sowie auf der anderen Seite der «Muslimfeindlichkeit» entgegenzutreten. Die Entscheidung der CDU komme angesichts früherer Verabredungen überraschend. Die Landesregierung werde jetzt wie geplant die Voten der anderen Fraktionen abwarten.

Der geplante Rahmenvertrag mit den Muslimen enthält etwa Regelungen zum islamischen Religionsunterricht, zur Seelsorge in Krankenhäusern und Gefängnissen sowie zum Moscheebau und Bestattungswesen. Die Landesregierung verhandelt seit Jahren mit den Verbänden Ditib und Schura und den Alevitischen Gemeinden über den Vertrag. Noch Mitte Juni hatte es nach einem Kompromiss ausgesehen, weil sich Landesregierung, Opposition und die muslimischen Landesverbände auf eine neue Fassung des Vertragstextes geeinigt hatten.

Vorbehalte hat die CDU Thümler zufolge auch gegen den Verband Schura, weil dieser eine starke Verbindung zur der AKP-nahen Gemeinschaft Milli Görüs habe. Zu einem späteren Zeitpunkt einen Vertrag zu schließen, halte die Fraktion aber weiterhin für richtig.

Unabhängig davon könnten die Vertragsverhandlungen zwischen der Landesregierung und der Alevitischen Gemeinde fortgesetzt werden. Die Aleviten seien hervorragend integriert.

Source: Kirche-Oldenburg