Die Nordwestgruppe der Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) hat sich am 23. und 24. März zu ihrer Jahrestagung im Haus Villigst im westfälischen Schwerte getroffen. Neben aktuellen Entwicklungen in der GEKE stand als Schwerpunktthema „Die Kirche in einer post-christlichen Gesellschaft“ auf dem Programm.

Zur Nordwestgruppe der GEKE gehören die protestantischen Kirchen aus den Niederlanden, Belgien und Luxemburg, die methodistische Kirche in Deutschland, der Belgisch-Deutsche Konvent, die EKD-Kirchen aus Kurhessen-Waldeck, Lippe, Oldenburg, Rheinland, Westfalen und die reformierte Kirche.

Thema der Tagung war Europas Kirchlichkeit. Sie verändert sich in verschiedenen Geschwindigkeiten und Verläufen, so das Fazit des ehemaligen Generalsekretärs der Niederländischen Protestantischen Kirche Arjan Plaisier. Verschiedene Geschwindigkeiten bedeute, dass etwa in den Niederlanden Christinnen und Christen sehr schnell zu einer Minderheit in der Gesamtbevölkerung geworden seien. Der Anteil der Protestanten an der Bevölkerung beträgt nur noch 8,6 Prozent. Gleichzeitig bleibe innerhalb der Kirche der berühmte „Bibelgürtel“ konservativ-traditionalistischer reformierter Christinnen und Christen weiterhin bestehen, den es nicht zu verlieren gelte. Dazwischen finde sich eine bunte Volkskirchlichkeit wieder, so Plaisier.

„Für diejenigen, die es bisher noch nicht erkannt haben: wir leben in einer postchristlichen Gesellschaft“, stellte Plaisier in seinem Vortrag fest. „Darauf dürfen wir weder larmoyant noch panisch reagieren. Auch wenn wir zu einer Minderheit gehören, gibt es immer noch viel und lebendiges christliches Leben.“

Das erste Phänomen der Entkirchlichung nötige allerdings zu neuen missionarischen Aufbrüchen, zu Kontaktstellen mit der Bevölkerung an Orten, an denen nicht mehr die klassische Gemeindearbeit vorherrscht, betonte Arjan Plaisier. So biete die Protestantische Kirche in den Niederlanden einen neuen Gemeindeaufbau in Städten mit pastoralen Anlaufstätten an, die auch Fernstehenden oder bisher Unerreichten frei und flexibel gestaltete Angebote bieten soll.

Doch Arjan Plaisier machte auch deutlich, dass Freiheit und Flexibilität eng an der Glaubenslehre angebunden sein sollten: „Die formlose und entleerte Lehre hat der Kirche in den Niederlanden nicht gut getan; zwar ist Freiheit und Selbstbestimmung gut und richtig, aber sie brauchen eine Grundlage im Glauben und durch Gottesbezogenheit, wenn sie nicht unverbindlich sein sollen“, so das Resümee.

Daneben gilt für Pfarrer Dr. Oliver Dürr, oldenburgischer Delegierter der GEKE, „dass die Verläufe ebenso verschieden sind. So sind viele Gesellschaften in Europa nicht einfach post-christlich trotz ehemaligen Staatsatheismus im Osten oder Laizismus im Westen geworden. Im deutschsprachigen Mitteleuropa, Skandinavien und Teilen Südeuropas herrschen durchaus erfolgreiche Kooperationen mit dem Staat vor.“ Darüber hinaus gebe es in vielen Ländern ein Ringen darum, ob man angesichts der teilweisen Fundamentalismen der Religionen nicht doch auch bessere zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit anstreben sollte. Gerade das Beispiel Frankreichs zeigt laut Dürr, dass die Politik praktisch überhaupt keinen Einblick mehr in ihre religiös motivierte Zivilgesellschaft hat.

Stattdessen halte sie dort, so Dürr, ideologisch an der starren und strikten laizistischen Trennung von Staat und Kirche von 1905 fest. „Allerdings möchten andere Regierungen etwa in den Beneluxstaaten gerade die katholische Kirche durch eine solche Politik in ihre Schranken weisen. So stellt sich das Bild in Europa bunt da. Geschwindigkeiten und Verläufe von Kirchlichkeit und Entkirchlichung bleiben in den Ländern sehr disparat und lassen keine eindeutigen Entwicklungsprognosen zu.“
 
In den folgenden Berichten aus den Mitgliedskirchen wurden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in den gesellschaftlichen Entwicklungen deutlich.

Im nächsten Jahr trifft sich die Nordwest-Regionalgruppe auf Einladung der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck in Hofgeismar und will sich schwerpunktmäßig dem interreligiösen Dialog in Europa widmen.

Source: Kirche-Oldenburg