Göttingen (epd). Das Weihnachtsfest gehört nach Auffassung des Theologen Wolfgang Reinbold nicht zu den Ur-Festen der Christenheit. «Im Neuen Testament kommt es nicht vor. Zwei der vier Evangelien berichten gar nicht von der Geburt Jesu. Und die beiden Evangelien, die davon berichten – Matthäus und Lukas – sind sich in den Details alles andere als einig», betonte der Professor für Neues Testament an der Georg-August-Universität Göttingen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Beide Evangelisten erwähnten zudem kein exaktes Geburtsdatum von Jesus Christus.

 

Auch das traditionell-bürgerliche Weihnachtsfest, das hierzulande in vielen Familien gefeiert werde, habe kaum etwas mit den Ursprüngen von Weihnachten zu tun. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts habe sich Weihnachten von einem Fest, das zuvor in den Kirchen und auf den Straßen gefeiert worden sei, zu einem bürgerlichen Familienfest entwickelt. «Das Weihnachtsfest, wie wir es kennen, ist also gerade mal 200 Jahre alt», unterstrich Reinbold.

 

Früheste Hinweise darauf, dass Menschen die Geburt Jesu feierten, fänden sich etwa ab dem Jahr 350. Von dieser Zeit an habe sich der 25. Dezember als Weihnachtstag etabliert, ein Datum, das Reinbold zufolge ebenso in Zusammenhang mit der Wintersonnenwende stehe, wie der Brauch, Weihnachtsbäume in die Stube zu holen. «Das Aufstellen eines immergrünen Baumes im Winter ist ein Kontrapunkt, ein Zeichen der Kraft des Lebens, ein Symbol dafür, dass das Licht trotz der immer kürzer werdenden Tage wiederkommen wird.» Seit dem 16. Jahrhundert sei diese Praxis gut belegt.

 

Das Schmücken des Weihnachtsbaumes wiederum habe sich unter anderem durch die Tradition des sogenannten Adventsbaums etabliert. «Diesen Adventsbaum stellte man zu Beginn der Adventszeit auf und schmückte ihn dann jeden Tag mit einer Kerze. Sie wurde angezündet, während eine der Christus-Verheißungen aus dem Alten Testament vorgelesen oder aufgesagt wurde.» Erfunden habe diesen Brauch Theodor Fliedner, einer der Gründerväter der evangelischen Diakonie.

 

Die verbreitete Annahme, dass Jesus, wie im Lukas-Evangelium beschrieben, seine ersten Lebensstunden in einer kargen Krippe verbracht habe, bezeichnete Reinbold als biblisch nicht eindeutig belegt. «Das Matthäus-Evangelium weiß hingegen nichts von einer Krippe und noch weniger von dem, was die christliche Weihnachtstradition später daraus gemacht hat.» Dort sei das Jesuskind von Anfang an ein König gewesen, dem wichtige Männer mit Gold, Weihrauch und Myrrhe «wahrhaft königliche, sehr teure Geschenke» dargebracht hätten.

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Theologe Reinbold: «Weihnachten ist kein Ur-Fest der Christenheit»